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fort die Worte willig gehorchen, die Ungebaͤrdigen
mit laͤstigen Sesseln zu zwingen sucht, statt ein
Kunstwerk zu schaffen, nur ein Kunststuͤck her—
vorbringt. Treffend hat in diesem Sinne Jakob
Burkhardt das Sonett das Prokrustesbett der Ge⸗
fuͤhle und Gedanken genannt. Und darum wird
es nur dem Genius ersten Ranges gelingen, die
scharfe Waffe zu schweißen und in siegreichem
Schwunge zu fuͤhren.
Schwerer als dem Dichter anderer Voͤlker ist
dem Dichter des deutschen Sonetts das CLos ge—
fallen. Die weichen, melodischen Caute der ita—⸗
lienischen Heimat und des franzoͤsischen Nachbar—⸗
landes sind unserer Sprache fremd. Dem sonnen⸗
gewohnten Kinde des Suͤdens behagen die rauhen
Luͤfte hier nicht. Trotz der liebevollen Suͤrsorge,
die ihm vor allem die Anhaͤnger und Nachfolger
der romantischen Schule gewidmet haben, ist das
Sonett ein selten erscheinender, aber immer auf
das freudigste begruͤßter Sremdling geblieben.
Es hat lange gedauert, bis die Bemuͤhungen, die
neue Dichtungsart in Deutschland einzufuͤhren,
mit einem wirklichen Erfolg gekroͤnt worden sind.
Mehr als ein halbes Jahrhundert war vergangen
seit den Tagen, in welchen die Meister der ita—
lienischen Renaissancedichtung, an ihrer Spitze
Michelangelo, die Sorm Dantes und Petrarcas
sich wiedererkoren hatten. In Frankreich gab
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