Volltext: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

IL. Abschnitt. 
Von Opitz bis Gottsched. 
In demselben Jahre, da in Nürnberg die streitenden Parteien 
der Meistersänger feierlich erklärten, bei der Ausübung ihrer Kunst 
auf dem Boden Hans Sachsens zu stehen — 1624 —, erschien zu 
Breslau die erste Ausgabe von Opitzens „Buch von der Deutschen 
Poeterey“ — des Grundbuchs der deutschen Renaissancepoetik, Neun 
(oder eigentlich zehn) Ausgaben hat es noch im 17. Jahrhundert 
erlebt, darunter die von Enoch Hanmann „mit schönen Anmerckungen“ 
ausgestatteten, und als im 18. Jahrhundert der große Kampf um 
die wahren Regeln der Poetik. zwischen Leipzig und der Schweiz 
ausgefochten wurde, erschien auch in beiden Lagern wieder Opitz 
mit seiner Poeterei (1745 und 1746). An ausländische Vorbilder sich 
anlehnend und von dem Werte gelehrter Bildung übermächtig durch- 
drungen ist Opitz in diesem flink zusammengeschriebenen Büchlein 
mit einem Schlage der Reformator der deutschen Poetik geworden, 
der Poetik, aber nicht der Poesie, denn was er als Dichter uns 
hinterlassen hat, reicht über das Mittelmäßige nicht hinaus. Er hat, 
was von einzelnen in der Ausübung des Poetenberufes bereits prak- 
tisch betätigt worden war, im rechten Augenblicke geschickt in 
Regeln gefaßt und sich so einen lange andauernden Einfluß und 
Ruhm erworben. Für keinen seiner Berufsgenossen ist der Inhalt 
des philologischen Weihrauchkästchens — um mich dem Stile dieser 
Renaissance gemäß auszudrücken — von so nachhaltiger Wirkung 
gewesen, wie für den „Vater der deutschen Dichtkunst“. Opitz und 
kein Ende bleibt über ein Jahrhundert das Kennzeichen der deut- 
schen Poetik. Der Reigen, den die Nachtreter des großen Schlesiers 
mit den Musen und Grazien in ermüdender Einförmigkeit geschlun- 
gen haben, führt uns auf keine Höhen poetischen Genießens, Es tat 
sich eine Kluft auf zwischen den gelehrten Poeten und der großen 
Masse des Volkes. Aber die gelehrten Poeten waren auch durch eine 
Kluft getrennt von der poetischen Überlieferung der vorangegan-
	        
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