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zu ziehen. Man könnte sich dabei auch an Hans Sachsens
„Schwanck: Die 18 schön eyner junckfrawen“ erinnern.! Allein es
wäre gewagt, einen sicheren Schluß über die gegenseitige Abhän-
gigkeit bei der Aufstellung eines Ideals von Frauenschönheit ziehen
zu wollen. Dieses Thema lag vor und nach Hans Sachs in der
Luft.” Nun fühlt man sich freilich bei weiterem Ausblicke leicht
angeregt, daran zu denken, daß der Nürnberger Arzt Johann Nikolaus
Pfitzer in seine Bearbeitung des Faustbuches (1674) Hans-Sach-
sisches hineingetragen haben könne. Man steht aber hier überall
auf schwankem Grunde. In den Erläuterungen zitiert ja Pfitzer den
Hans Sachs nicht, während er z. B. Harsdörffer ziemlich oft nennt.
Doch scheint bei ihm einmal etwas Meistersängerisches anzuklingen,
wenn bei einer Frau „das Meisterlied singen“ soviel wie Gardinen-
predigt halten bedeutet.? Eine ähnliche komische, an die Meister-
sänger-Terminologie sich anlehnende Wendung kann man auch bei
Hans Sachs lesen. Wenn ein Ehemann nicht mehr das nötige Geld
für Hauszins, Dienstboten u. s. w. aufbringen kann, so muß er „im
versetzten thon“ singen.
Der Versuch, das Nachleben Hans Sachsens zu verfolgen, hat
uns schon gelegentlich weiter in das 17. Jahrhundert hineingeführt.
Ganz natürlich. Denn wenn auch die Führung in der Literatur be-
reits auf die Männer einer neuen Richtung übergegangen ist, so ist
das Alte damit doch noch nicht abgestorben. Breite Schichten zehren
noch von dem Vermächtnisse vorangegangener Geschlechter und
inmitten einer zerfließenden alten .Überlieferung thront bereits die
Herrlichkeit einer neuen Poetik. Es ist keine Zeit hoher Begeisterung
und einträchtigen Handelns,. in der sich diese Wandlung vollzieht.
Während Deutschland von Kriegsruf und Waffenlärm erfüllt ist.
in der Sonntagsbeilage Nr. 23 zur Vossischen Zeitung, 1896 (7. Juni), auf-
merksam gemacht hat, lassen, da sie aus derselben gemeinsamen Quelle
geschöpft sein können, weitere Schlüsse auf die Ahhängigkeit des Faust-
buches von Hans Sachs nicht zu.
1 Hans Sachs, hg. von Keller, 5, 176 ft.
2? Vgl. Reinhold Köhlers Zusammenstellung in der „Germania“ 11
(1866), 217—221, jetzt in R. Köhlers Kleineren Schriften. 3. Bd. Hg. von
J.Bolte, Berlin, 1900, S.22 — 35, und Hans Sachs, hg. von Keller, 5, 176, Anm.
3 Vgl. die Ausgabe von Keller in der Bibliothek des litt. Vereins
in Stuttgart 146. &. 3238