Full text: Das Nachleben des Hans Sachs vom XVI. bis ins XIX. Jahrhundert

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wieder bühnenfähig gemacht hat. Nestor-Nicolai konnte also durch diese 
Begegnung im Dichtergarten nicht gerade angenehm überrascht werden. 
Außer dieser Erwähnung des Hans Sachs bietet der für unseren 
heutigen Geschmack viel zu gedehnte „Zerbino“ nichts in dieser Hin- 
sicht Bemerkenswertes. Freie Rhythmen sind zahlreich verwendet, man 
zann sie aber höchstens ganz vereinzelt als Knittelverse bezeichnen,! 
auch der Sprachschatz weist nichts Altertümliches auf, das besonders 
zu nennen wäre. Aus der dramatischen Satire „Ein Prolog“ (1796) 
wäre etwa den ersten vierzehn Versen Knittelverscharakter zuzu- 
arkennen. Am meisten Hans-Sachsisches weist „Der neue Hercules 
am Scheidewege“ „eine Parodie“ auf (1800). Später wurde das 
Stück mit dem Titel „Der Autor“ versehen und als „Fastnachts- 
schwank“ (auch „Fastnachtsspiel“) bezeichnet.? Es schildert, wie den 
Dichter verschiedene Persönlichkeiten besuchen, die teils der Wirk- 
lichkeit, teils der Welt der Allegorie entnommen sind, und wie diese 
Ihre Meinungen mit ihm austauschen, ihn zu beeinflussen suchen, 
Xritik an seinem Schaffen üben. Zuletzt erscheint der Ruhm, und 
zwar der wahre Ruhm, vor dessen majestätischem Glanze sich der 
Dichter neigt. Im „Autor“ hat Tieck im weitesten Ausmaße den 
Knittelvers —- das ist also die Hans-Sachsische Dichtungsweise — 
angewendet, er beherrscht mit Ausnahme weniger Stellen den ganzen 
Schwank. Tieck selbst hat dies später ausdrücklich erklärt. Goethe 
habe Hans Sachs und dessen Dichtungsweise wieder emporgehoben: 
„Seit jenen Tagen ist unser Hans Sachs wieder etwas zu Ehren ge- 
kommen, auch ist sein Dichterton oft auf verschiedene Weise ver- 
sucht worden. Auch mich reizte es, diesen Schwank in einer ähn- 
ichen Manier anzustimmen, und in einigen heitern Tagen war die 
\ufgabe ausgeführt.“3 Abgesehen von dem Knittelvers erinnert im 
„Autor“ die Unterredung zwischen der Muse und dem Autor an 
„Hans Sachsens poetische Sendung“ von. Goethe.* Daß das Faust- 
‘ragment auf den „Autor“ besonders eingewirkt habe; hat man 
schon früher erkannt.” Die Art, wie Tieck in Goethes Geiste für 
ı Man vgl. etwa Verse, wie sie (10. Bd., S. 199) dem Jeremias oder 
‚ebenda 8. 211) dem Polykomikus in den Mund gelegt werden. 
? Tieck’s Schriften, 13. Bd., Berlin, 1829, S. 267—334. 
3 Tieck’s Schriften, 11. Bd., Berlin, 1829, S. LXII—LXIV. 
* Tieck’s Schriften, 13. Bd., S. 278—283. 
5 Vgl. Jacob Minor, Classiker und Romantiker, im Goethe-Jahrbuch. 
10. Bd., Frankfurt a. M.., 1889, S. 225.
	        
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