1927
fand darin offenbar ebenso geistigen Nährgehalt, wie ihn sonst der
Pietismus aus Hans Sachsens Werken einsog. Auch unter den Alt-
dorfer Gelehrten war der Pietismus vertreten; seiner milderen Rich-
tung, wie sie durch Birken und Dilherr in Aufnahme gekommen
war, gehörten Omeis und Wagenseil an. !
Wagenseil gedenkt in seiner Abhandlung von dem Meister-
gesange auch der literarischen Beihilfe, die ihm der Nürnberger
Arzt Gottfried Thomasius geleistet hat; wir erfahren dabei, daß
dieser auch Hans-Sachs-Handschriften besaß (s. oben S. 12). Schon
der Vater der Brüder Gottfried und Christian Thomasius, Jakob
Thomasius, war (nach Goedeke, 2 2. 951) im Besitze der Dresdner
Handschrift M 10. Hans-Sachs-Handschriften, die im Besitze des Gott-
fried Thomasius waren, sind später in das Eigentum Gottscheds
übergegangen. Eine ganz hervorragende Stellung im Nachleben des
Hans Sachs nimmt jedoch Christian Thomasius ein, der in Leipzig
und Halle als Rechtslehrer eine mächtig anregende und aufklärende
Tätigkeit entwickelte. Auf den ersten Blick muß es auffallen, daß
der Jurist Thomasius in nicht literarhistorischen Werken dem Hans Sachs
hohe Auszeichnung zuteil werden läßt. Bei näherem Zusehen wird
indes dieses Vorgehen verständlicher. Thomasius hat nicht nur gegen
die alleinherrschende Macht des römischen Rechtes Stellung ge-
nommen, er hat auch neben der lateinischen Sprache der deutschen
Sprache einen entsprechenden Spielraum im akademischen Leben
verschafft, seine Hörer im deutschen Stil auszubilden versucht und
als Publizist eine über das engere Fach seiner juristischen Lehr-
tätigkeit hinausreichende literarische Kenntnis bewiesen.“ Bei der
hervorragenden Stellung, die Thomasins einnahm, ist der Wert seines
Urteiles in literarischen Dingen nicht zu unterschätzen. Das über-
mäßige Lcb, das er dem eben erschienenen Lohensteinschen Roman
von Arminius und Thusnelda spendete, * muß uns allerdings sehr
1 Vgl. A. Tholuck, Das akademische Leben des 17. Jhäts. 2, Halle,
1854, S. 17, S. 27 ff.
2 Ernst Landsberg, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft.
3. Abth. 1. Halbbd., München und Leipzig, 1898 (= Gesch. der Wiss. in
Deutschland. N. Z. 18. Ba.) S. 71—111. E. Landsberg in der, Allg. d.
Biogr. 38. Bad., Leipzig, 1894, S. 93—102. Jakob Minor.in der Viertel-
jahrschr. für Litteraturg. Hg. v. B. Seuffert, 1 (Weimar, 1888), S. 1—9, bes. S. 4.
3 Vgl. R. E. Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus. 1. Th.
Hannover, 1845, S. 329—330.