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Meistergesange ein für jene Zeit außerordentlich würdiges Denkmal
gesetzt hat. Wagenseil war 1633 zu Nürnberg geboren und starb
1705. An der Universität Altdorf war er Professor des öffentlichen
Rechtes und der Geschichte, später lehrte er auch kanonisches
Recht und orientalische Sprachen.! Er ist das Urbild eines Ge-
lehrten an der Wende des 17. und 18. Jahrhunderts. Von viel-
seitigem Interesse, hat er doch auch den Schwächen seiner Zeit
seinen Tribut entrichtet. Der Wert des Wagenseilschen Buches liegt
darin, daß der Verfasser eine möglichst sichere Grund-
lage für seine Ausführungen zu gewinnen sucht und
sich aus den Kreisen der Meistersänger selbst sein
Material holt, und so wird seine Arbeit als Quellensammlung
für den Meistergesang überhaupt niemals veralten, wenn man auch
bei ihrer Benutzung Vorsicht walten lassen muß.? Sonderbar muß
es uns gleich berühren, wenn vor den Meistersängern zunächst die
Zigeuner behandelt werden. Die logische Verbindung liefert Wagen-
seil durch den Hinweis, daß es zweierlei Leute gibt, über „deren
Ursprung, Herkunfft und wahre Beschaffenheit“ man nichts Rechtes
wisse, die Zigeuner und die Meistersänger. Nachdem er den ersteren
einen Aufwand von Gelehrsamkeit gewidmet hat, geht er in gründ-
licher Weise an die Darstellung der Geschichte des Meistergesanges ;
es ist das erstemal, daß dieser Gegenstand in solchem Umfange
und mit wissenschaftlicher Färbung in Angriff genommen wird.
Wagenseil wärmt nicht alte Berichte wieder auf. Selbst ein Nürn-
berger, hatte er von frühester Jugend an Gelegenheit, mit dem
Meistergesange bekannt zu werden, und als Gelehrter verschmäht
er es nicht, sich mit den Handwerkern in Verbindung zu setzen.
Aus dem Munde der Meistersänger selbst hat er auf die Ver-
sicherung seines redlichen Strebens hin manche Aufklärung empfangen.
Die Darstellung ist allerdings weitschweifig, man muß unter anderem
auch Wagenseils Unterredung mit dem Fräulein von Scudery — die
Wallfahrten zu dieser Rose des Hötel Rambouillet waren ja damals
Mode — mit in den Kauf nehmen. Allein die sachliche Bereicherung
der Kenntnis des Meistergesanges, die Wagenseil durch sein Buch
ı Baier a. a. O0. S. 73.
2 Vgl. Edward Schröder in der Allgem. deutschen Biographie 40
(1896). S. 482.