Volltext: Veit Stoß und seine Schule in Deutschland, Polen und Ungarn

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städter Pfarrkirche aber stand der von Tilman Riemenschneider 
in den Jahren 1490—1492 verfertigte grosse Hochaltar, der nach 
der Beschreibung des Dechanten Americus Kratzer von 1613 
noch auf seinem ursprünglichen Platze stand. Dass Stoss für 
diesen Altar noch Schnitzereien und Gemälde geliefert hätte, 
ist ausgeschlossen, denn Riemenschneider hatte für den fertigen 
Altar bis zum Jahre ı492 in Raten ıg2 fl., also 7 fl. mehr als 
im Kontrakt von 1490 ausbedungen war, erhalten, und ferner 
spricht die Höhe des Honorars von 220 fl. dafür, dass Stoss ein 
zrösseres Altarwerk geliefert haben muss. Dieser zweite Hoch- 
altar muss dann am Eingange des Chores gestanden haben und 
scheint später in die Ritterkapelle geschafft worden zu Sein, 
wo er zerlegt wurde. 
Die Malereien dieses Altares lassen sich in vier in einer 
Art wie Tempera gemalten Tafeln !°!), die heute an der südlichen 
Chorwand der Kirche hängen, erkennen, weil der Stil ihrer Zeich- 
nung, die in einer äusserst naturalistischen, aber viel zu scharfen 
Wiedergabe der kleinsten Details besteht, so dass dadurch oft 
steife Verrenkungen der Gliedmassen entstehen, sich in den 
Kupferstichen Veits wiederfindet. Diese ursprünglichen Flügel- 
»ilder schildern die Geschichte des fränkischen Missionsapostels 
Kilian in klarer Weise durch drastische Geberde, bewegtes Hände- 
spiel und leidenschaftliche Bewegung, wie sie uns in den Stoss- 
schen Schnitzereien bekannt geworden sind. Auf der ersten 
F’afel ermahnt der fränkische Missionsapostel mit erhobener 
echten den Frankenherzog Gozbert in Gegenwart der Gattin 
Gailana, die des Bruders Witwe war, die Ehe mit ihr zu lösen, 
weil sie blutschänderisch sei. (Fig, 25.) Auf der zweiten Tafel 
iberredet Gailana, um den für sie unbequemen Heiligen beiseite 
zu schaffen, den Kastellan und Koch, die ihr schwören, den ver- 
‚angten Mord auszuführen. (Fig. 26.) Auf der dritten Tafel 
wird der Mord des hl. Kilian durch den Kastellan vollzogen, 
während der Koch einen seiner Gefährten mit dem Messer nieder- 
hauen will (Fig. 27), und auf der vierten tötet sich vor dem 
Herzog, dessen Gattin eben in den Lüften von einem Dämon 
entführt wird, der Kastellan aus Gewissensqualen selbst, und 
i01) 1,80 m hoch, 0,98 m breit.
	        
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