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nicht vom selben Meister zu sein. Wer würde Dürers früheste
und späteste Kupferstiche, die schon technisch allein grundver-
schieden sind, wären sie nicht von ihm selbst bezeichnet, ihm
zuweisen wollen?
Allein bei Meistern zweiten Ranges scheiden sich diese
Stufen der individuellen Entwickelung nicht so prägnant. Ein und
derselbe Faden der künstlerischen Auffassung und des Charakters,
zuweilen zwar übersponnen und durch die Hülle äusserer Ein-
Aüsse hindurch weniger erkennbar,
zieht‘ sich durch alle ihre Werke.
Die Aufnahme einer neuen Formen-
sprache erschwert ausserdem am
meisten, durch die Hülle den eigent-
lichen Faden, also die gleiche künst-
lerische Individualität zu erkennen.
Da kann bei der Bestimmung ein
gewisses feines Gefühl wohl zu Gute
kommen. Zugegeben, dass es keine
Norm für den Weg der Entwickelung
eines Künstlers gibt, so bleibt sie
dennoch immer innerhalb der Gren-
zen der Beanlagung des Individuums
und seiner künstlerischen Seele.
Durch den Kreuzaltar aus Rudawa,
den Stanislausaltar und den Johannis-
altar läuft derselbe Faden; woraus
er gesponnen ist, ist dasselbe Mate-
rial geblieben, nur was beim letzten
Altar die Renaissance überspon-
nen hat, hemmt das Erkennen und macht die Kritik unsicher.
Lässt sich somit das letzte Wort über den Johannisaltar nicht
sprechen, so ist dennoch nichts wahrscheinlicher, als dass Stanis-
laus Stoss sein Meister ist.
Ein Nürnberger Schnitzwerk bestärkt diese Meinung. Der
stehende Engel, der sich an der rechten Innenwand der Jacobs-
kirche zu Nürnberg befindet (Fig. 78), zeigt in der verrenkten
Stellung eine ähnliche Auffassung wie die Engel der Florianer
Mittelgruppe. (Fig. 75.) Das freundliche Gesicht mit der etwas