Volltext: Geschichte der Städtischen Handelsschule in Nürnberg

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denn auch viele Eltern veranlaßt, ihren Söhnen eine höhere Aus— 
bildung zu teil werden zu lassen. Aber man glaubte in Verkennung 
des wahren Bedürfnisses, die dem Kaufmann notwendige Geistesbildung 
werde am besten an dem humanistischen Gymnasium erlangt. Ja, 
wenn ein Schüler das ganze Gymnasium absolviert, ehe er als Lehr— 
ing in ein Geschäft eintritt, hat er einen großen Gewinn. Aber 
wenn der Studiengang mit Schluß der J. Gymnasialklasse unterbrochen 
wird, dann dürfte die Schulbildung einen höchst problematischen Wert 
haben. Es ist kein Abschluß erzielt, der Schüler hat kein Ganzes, er 
hat nur Anfänge gemacht; überall zeigen sich Lücken, die auszufüllen 
aur die wenigsten imstande sind. 
Darnach freilich wird häufig nicht gefragt; bei vielen Eltern ist 
es lediglich eine Modesache, in welche Anstalt sie ihre Kinder schicken; 
sie prüfen nicht, was für ihren Sohn nach seinen Anlagen das Beste 
sei, sondern sie fragen, welche Schule vornehmer ist. Man könnte 
über diese Modethorheit lächeln, wenn nicht die Sache eine gar zu 
ernste Seite hätte. Nicht nur daß durch den Zudrang zu den huma— 
nistischen Gymnasien diesen Anstalten ihre Aufgabe in hohem Grade 
erschwert wird, bergen diese Verhältnisse auch große sociale Ge— 
fahren in sich. Wohin sollen diese jungen Leute sich wenden? Der 
eine Beruf ist ihnen und ihren Eltern zu gering, für den andern 
reichen ihre Vorkenntnisse nicht aus. So sind nicht selten Söhne und 
Eltern in Verlegenheit, was sie nun beginnen sollen; es entsteht Un— 
zufriedenheit, der schlimmste Gemütszustand, in den ein junger Mensch 
geraten kann, und der ihn, wenn nicht besondere Verhältnisse seinem 
Leben eine günstige Wendung geben, der Verführung unwiderstehlich 
n die Arme treibt. 
Ist es nicht Gewissenssache der Eltern, ihre Kinder so viel in 
ihren Kräften steht, davor zu bewahren? Welches bessere Schutzmittel 
aber gäbe es, als den Sohn eine vollständige Anstalt durchmachen zu 
lassen? Wer ihn dem Gymnasium zuführen will, der dringe, voraus— 
gesetzt, daß es nicht an den Anlagen fehlt, mit allem Ernste darauf, 
daß er dasselbe auch absolviere. Diejenigen aber, welche nur das 
Ziel der J. Gymnasialklasse im Auge haben, begehen ein Unrecht an 
ihren Kindern, daß sie ihnen den Gang durch eine andere Schule 
verwehren, deren Vollendung sie in der gleichen Zeit erreicht hätten! 
Warum übergeben diese ihre Söhne nicht der Real- oder Han— 
delsschule? Namentlich die letztere wird für den Kaufmannsstand eine 
immer höhere Bedeutung gewinnen. Dadurch erwächst aber dieser An—
	        
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