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verwendet: zuerst den gröberen Stuckmörtel mit Kalk gemischt, so dass stets die
Kelle rein herausgezogen werden konnte; bevor dieser Auftrag völlig trocken war,
wurde der zweite, etwas feinere, aufgetragen und dieser dicht geschlagen! Der
zweite Auftrag muss dicht geschlagen und gleichmässig gemacht werden, das geht
aus Vitruvs Angaben deutlich hervor! Dadurch erhält die Mauer eine so
grosse Festigkeit! Aber das Schlagen mit den Hölzern kann erst begonnen
werden, wenn der Grund beinahe trocken ist, sonst haftet der Mauerstuck an dem
Schlagholz fest und reisst den Grund wieder auf! Der richtige Zeitpunkt muss
eben abgewartet werden. Die dritte und letzte Stucklage, mit der „zugleich die
Farben aufgetragen und unter Einem poliert werden sollen“, besteht aus der feinsten
Siebung. Dem mit Kalk anzumachenden Brei sind dann die verschiedenen Farben
und „Substanzen“ beizumengen und unter Einem mit einer breiten Eisenspachtel
auf den noch feuchten oder eventuell anzufeuchtenden zweiten Grund gleichmässig
aufzutragen ; gleichzeitig mit dem Auftrag, der nur ganz dünn zu sein braucht, wird
die Wandfläche ohne Schwierigkeit glatt poliert.
Häufig bedienten sich die Tectores gewisser „Zuschläge‘, welche den Zweck
ıatten, die letzte Wandschichte so glänzend als möglich zu machen, und diese muss
Vitruv gemeint haben, wenn er von der „Mannigfaltigkeit“ spricht, und dass trotzdem
die Masse im Trocknen zu einem festen Körper wird (nach den chemischen Unter-
suchungen sind dazu verschiedene Kreiden, mitunter auch Pozzuolanerde, Baryt
verwendet worden). Auf einen solchen, nach Vitruvs Angaben genau angefertigten
Untergrund lässt sich a fresco nicht malen! Aber sehr nötig ist es, dass die zur
Anwendung gekommenen Farben solche sind, die sich mit Kalk vertragen, also in
der Frescomalerei möglich sind; jede andere würde durch den Kalk sofort zerstört,
das wissen alle, die je mit Farbe auf einer, wenn auch trockenen Kalkwand zu
malen versucht haben. Auf diese Eigenschaft des Kalkes, jede organische Farbe
zu zerstören, bezieht sich die Stelle des Plinius (L.XXXV, 49), wo die Farben
erwähnt sind, die sich auf feuchtem Grund nicht auftragen lassen; ich stehe nicht
an, die Vermutung auszusprechen, dass es sich hier ebenso um Stuckgrundierung
handeln mag wie bei Vitruv!
Aber noch ein weiteres Verfahren für Wandbemalung und speciell für Farben,
die sich auf der Kalkwand schlecht halten, wie das Minium (Zinnober), gibt uns
Vitruv ebenso wie Plinius (XXXIII, 22) an, das Verfahren, das die Griechen
„Kausis“ nannten. Vitruv sagt (L. VII, c. IX): „Wenn aber jemand vorsichtiger
sein will und wünscht, dass die Zinnoberwandbekleidung ihre Farbe sich erhalte,
so überziehe er dieselbe, nachdem die Bekleidung vollendet und getrocknet ist,
vermittelst eines Borstpinsels mit punischem Wachse, welches über dem Feuer
geschmolzen und mit etwas Öl vermischt ist; vermittelst eines eisernen, mit Kohlen
gefüllten Beckens, welches der Wand genähert wird, bringe er sodann das Wachs
durch Erwärmung bis zum Schwitzen, damit die Oberfläche gleichmässig werde.
Darauf übergehe man mit einer Wachskerze und reibe dann mit reinen leinenen
Tüchern ab, so wie man die nackten Statuen behandelt. Dies wird auf griechisch
Kausis genannt. Da auf diese Weise der Panzer von punischem Wachs schützt,
so wird verhindert sowohl, dass der Glanz des Mondes wie auch die Strahlen der
Sonne, an diesen Wandbekleidungen leckend, ihnen die Farbe entziehen können.“
Was für die eine heikle Farbe gilt, sollte dies nicht auch
für andere anwendbar sein? Es wäre sogar sehr zu verwundern,