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Wenn von Frescomalen die Rede ist, so kommt es zu allererst auf die
Zurichtung der Wandfläche an, auf welche gemalt werden soll, und um sich einen
richtigen Begriff davon zu machen, wie die Alten ihre für Bemalung bestimmten
Wände herstellten, ist es notwendig, die Anweisungen des Vitruv (L. VII, c. III etc.)
durchzusehen und auch richtig zu verstehen. Es kann nicht angehen,
einfach einen oder den anderen Satz aus dem Zusammenhang zu
reissen und daraus Schlüsse zu ziehen, wie es vielfach geschehen ist. Es
ist auch ganz unerlässlich, sich Stücke von ‚„Tectorium“ genau so zu bereiten,
wie der als Baumeister gewiss gut unterrichtete Vitruv vorschreibt, um damit
Versuche zu machen!
Die beiden für Fresco gedeuteten Hauptstellen des Vitruv (L. VII, c. III, 5 u. 7)
3ind die folgenden von Donner (S. 43) zitierten: „Die Farben aber, wenn sie auf
die feuchte Wandbekleidung achtsam aufgetragen worden sind, gehen gerade
deshalb nicht mehr von ihr ab, sondern haften immerwährend.“ Ferner: „Und so
werden auch Wandbekleidungen, die richtig gemacht sind, weder durch das Alter
rauh, noch gehen die Farben, wenn man über sie hinwäscht, ab, ausser wenn sie
nicht achtsam genug und auf das Trockene aufgetragen wurden.“ Das wären
allerdings schlagende Beweise für die Kenntnis des Fresco von Seiten Vitruvs, wenn
wir aber das ganze Kapitel „von der Bekleidung -— tectoria opera“ im
Zusammenhang durchsehen, so handelt es sich hier überhaupt nicht um die
Malerei, sondern um die Vorbereitung der Wände zur Malerei; es
handelt sich um den in sich gefärbten Stuck, auf welchen dann die Malerei zu
kommen hat; das geht aus dem ganzen Inhalt hervor, etwas Anderes darin zu finden
ist mir nicht möglich !
Wie sollte auch die a fresco- Malerei noch in nassem Zustande —
geschliffen werden, was „coloribus cum politionibus inductis“ bedeuten? Die
auf dem nassen Stuck aufgemalten Figuren und Ornamente würden ja durch das
‚Polieren“ wieder gleich verdorben werden! Was hätte denn die Stelle für
Bedeutung: „dass, wie mannigfach die Mischung (des Tectoriums) immer sein mag,
das Ganze dennoch wie aus dessen eigener Substanz zu bestehen scheint?“ Diese
müsste ja gerade umgekehrt lauten und jede Mannigfaltigkeit des Tectoriums aus-
geschlossen sein. : Ausserdem hätte Vitruv es gewiss nicht unterlassen, zu erwähnen,
dass tageweises oder stückweises Arbeiten von nöten ist, „damit die Farben dauernd
haften und einen leuchtenden Schimmer von sich geben!“ Wie soll denn die
Stelle mit dem Dichtmachen durch Hölzer (baculum) aufgefasst werden,
da sich ein derartiges Schlagen mit dem von Donner selbst angegebenen Instrument
erst bewerkstelligen lässt, nachdem der Untergrund einen gewissen Grad von
Trockenheit erreicht hat! Dann die Stelle des Plinius vom punischen Wachs
XXI, 83), welches zum Schutz der Mauern dient, wie mag diese damit in
Einklang gebracht werden? u. s. w.
Die Kapitel 3 und 6 des L. VII bei Vitruv geben genaue Auskunft darüber, wie die
Wände für Malzwecke hergerichtet werden müssen. Nach diesen Anweisungen
habe ich meine Versuche gemacht; Kalkspath, welchen zahlreiche Stuckreste in
Pompeji und Rom zeigen, konnte ich mir weder in Rom noch in Neapel verschaffen,
ich musste deshalb zu dem von Vitruv selbst empfohlenen Marmor Zuflucht nehmen;
diesen, d. h. Abfall, welchen die Marmorarbeiter sonst wegwerfen, habe ich in drei
verschiedenen Siebungen gesiebt und auf Kalkmörtel genau nach Vitruvs Vorschrift