Allein dieser gewiss allseits mit Freuden erhoffte Kongress in Berlin ist
leider weder 1875 noch in einem der folgenden Jahre zu Stande gekommen. Die
Ursachen des Ausfalls waren wohl hauptsächlich örtlicher Natur und werden
besonders in der ungewöhnlichen Arbeitsfülle zu suchen sein, welche den Berliner
Kollegen aus dem glänzenden Aufschwunge der dortigen Museen und Kunstanstalten
erwachsen ist. Wir wollen hier nicht näher darauf eingehen. Nur so viel sei
bemerkt, dass die Notwendigkeit wissenschaftlicher Versammlungen auch für das-
jenige Fach, welches wir vertreten, wie für alle übrigen Disziplinen seither
wiederholt als dringend anerkannt ist und verschiedentlich zu privaten Erörterungen
unter den Kollegen geführt hat. Es kann daher nicht überraschen, dass der in
diesem Frühling hervorgetretene Vorschlag, bereits im laufenden Jahre einen
kunsthistorischen Kongress abzuhalten, sofort lebhaften Anklang fand und nach
energischer Führung der einleitenden Schritte jetzt in vollem Umfange verwirklicht
worden ist.
Das vorbereitende Komite für den Nürnberger Kongress bestand aus den
Professoren Holtzinger (Hannover), Kraus (Freiburg i. Br.), von Lützow (Wien) und
von Oechelhäuser (Karlsruhe). Als fünftes Mitglied wollte Janitschek beitreten, der
zu den entschiedensten Verfechtern der Kongressidee gehörte. Aber eben, als er
sich anschickte, den Aufruf zu unterzeichnen, entsank die Feder seiner Hand für
immer. So bleibt uns nur die traurige Pflicht, seiner in pietätvoller Anerkennung
zu gedenken, und ich fordere Sie auf, dem dadurch Ausdruck zu geben, dass Sie
sich von den Sitzen erheben.
Die Mitglieder des Kongresses erheben sich in ehrendem Andenken Janitscheks
von den Sitzen.
Professor von Lützow fährt fort:
Von den Mitgliedern des Nürnberger Lokalkomites haben sich die Herren
Direktor Hans Boesch, Dr. Fuhse und Dr. Hampe um das Zustandekommen des
Kongresses und der mit demselben verbundenen Ausstellung von Kunstwerken aus
Nürnberger Privatbesitz das grösste Verdienst erworben. Die Herren Dr. Ree und
Dr. Stockbauer sind leider durch zeitweilige Abwesenheit verhindert, an dem Kongress
teilzunehmen. Insbesondere gebührt der wärmste Dank Herrn Museumsdirektor
Boesch für seine unermüdliche liebenswürdige Thätigkeit. Ihm dankt der Kongress
in erster Linie den schönen, in den Räumen des Germanischen Museums zur Ver-
fügung gestellten Saal, der durch Lage und Schmuck den würdigsten Raum darbietet
für die ernsten, der Kunst und ihrer Geschichte geweihten Beratungen.
Es gilt nun vor allem, den Missstand zu vermeiden, der bisher geherrscht hat,
dass von dem kunstwissenschaftlichen Kongress Beschlüsse gefasst und Resolutionen ver-
kündet wurden, ohne dass man sich weiter darum kümmerte, ob sie zur Ausführung
und Anerkennung gelangten. Die Abhaltung der kunshistorischen Kongresse darf nicht
wieder einschlafen, daher ist es nötig, dass wir bestimmte Satzungen für dieselben
schaffen; die kunsthistorischen Kongresse müssen zu einer
dauernden, auf diese Satzungen begründeten Institution
werden. Das vorbereitende Komite hat einen Entwurf für die Satzungen aus-
xearbeitet, welchen Ihnen Herr Dr. Haendcke jetzt vorlegen wird.
Dr. Haendke: Die Satzungen sind in ihren Grundzügen denen des
deutsch-österreichischen Geographentages nachsebildet: