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Herr Weyhmanu-Markkleeberg: Ich stehe auch, auf dem
Standpunkt des Herrn Dr. Sellnick. Meiner Ansicht nach wird die Zu—
kunft der Gewerbe in staatlich organisierten Ständevertretungen zu liegen
haben. Die Müllerei ist groß genug, um über ihre eigenen Angelegen—
heiten in der Hauptsache selbst zu befinden und dem Staate mit Vor—
schlägen zu dienen. Wenn wir eine solche Müllerschaftskammer haben,
ganz gleichgültig, wie ihre Kompetenzen bestimmt werden, dann können
wir für unser Gewerbe entschieden noch mehr nutzen als in einzelnen
Verbaͤnden, sobald wir staatliche Befugnisse haben; und solche zu erlangen,
darauf muß unser ganzes Bestreben gerichtet sein.
Herr Vorsitzender vnan den Wyngaert: Es hat sich niemand
weiter zum Worte gemeldet. Ich richte an die Versammlung die Frage,
ob sie mit dem Antrage Dr. Sellnick einverstanden ist. Diejenigen,
die es sind, bitte ich die Hand zu erheben. (Geschieht. Große Mehr—
heit!
Wir kommen jetzt zum letzten Punkt der Tagesordnung, offene
Fragen, und ich habe zu fragen, ob solche aus der Versammlung ge—
stellt werden. Bis jetzt sind keine angemeldet. — Herr Direktor Fischer—
Landshut!
Herr Direktor Fischer-Landshut: Ich möchte nur eine kleine
Anregung geben. In dem Kupee eines Eisenbahnwagens kam kürzlich
das Gespräch auf Nahrungsmittelverfälschung und zwar aus Anlaß des
traurigen Mainzer Falles, dessen Opfer hier in Nürnberg begraben liegen.
Es wurde von allen möglichen Verfälschungen gesprochen, unter anderm
auch von denjenigen des hauptsächlichsten Nahrungsmittels, des Mehls.
Ich war da erstaunt zu hören — der betreffende Herr gehörte anscheinend
den gebildeten Ständen an —, welche Ansichten in dieser Beziehung
herrschen. Ich frug deshalb, woher der betreffende Herr seine Weisheit
habe, und da kam er zunächst mit einem Zeitungsartikel, in dem es hieß,
daß in einem kleinen Städtchen bei Florenz etwa 150 Personen durch
genossenes Brot vergiftet worden seien. Es waren allerdings nur Ver—
giftungserscheinungen leichterer Art; aber immerhin sollte konstatiert worden
sein, daß das betreffende Brot durch Bleiweiß vergiftet war. Ich er—
widerte, daß es sich danach um eine Brotvergiftung handle. Der Herr
antwortete, es müsse wohl eine Mehlvergiftung vorausgegangen sein.
Ich kann mich nun erinnern, früher gehört zu haben, daß Verfälschungen
mit vegetabilischen Mitteln vorgekommen sind. Ich hatte seinerzeit
auch etwas von Feldspat und dergleichen gehört. Aber aus meiner
langjährigen Praxis war mir kein Fall bekannt geworden, daß, wie der
Herr sagte, namentlich mineralische Stoffe zur Verfälschung von Mehl
verwendet würden. Ich habe dagegen protestiert, aber er verwies auf die
verschiedenen Lexika. Zu Hause nachsehend fand ich in der Tat in dem
neuen Lexikon von Brockhaus, daß bei dem Artikel „Mehlfabrikation“,
der offenbar von einem Fachmann geschrieben ist, folgendes stand. Es
heißt dort und zwar ohne Ausnahme: „Die auf Gewichtsvermehrung be—
rechneten Zusätze zu Mehl sind: Schwerspatpulver, schwefelsaurer Baryt,
Gips, Kreide, Infusorienerde, kohlensaure Magnesia und hellfarbige Tone,