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zerrütteten Lande Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und die Wohlfahrt
des Volkes neu zu begründen. Allein die Griechen lohnten seine wohl⸗
gemeinten Bemühungen und die großen Opfer, die König Ludwig für sie
gebracht hatte, mit schnödem Undank. Während König Otto auf einer
Rundreise durch das Land begriffen war, erklärten ihn die Aufständischen
in Athen des Thrones für verlustig, und Otto, der die Greuel eines
Bürgerkriegs vermeiden wollte, kehrte gramerfüllt in die bayerische Heimat
zurück, wo er mit seiner Gemahlin Amalie die noch übrigen Jahre seines
Lebens in dem königlichen Schlosse zu Bamberg verlebte.
Noch dunklere Schatten breiteten sich über das bayerische Königshaus
im Jahre 1864. Es begann mit einem glänzenden Ballfest des Hofes
in dem königlichen Residenztheater, das, von dem Kurfürsten Max Joseph III.
gebaut, im Jahre 1764, also gerade vor hundert Jahren, eröffnet worden
war. Nach dem Wunsche des Königs Mar sollte dieses Fest, bei dem
alle Teilnehmer in der kleidsamen, farbenprächtigen Tracht des achtzehnten
Jahrhunderts erschienen, und bei dem Prinz Luitpold den Kurfürsten, die
Königin Marie die Kurfürstin Maria Anna darstellte, zur Erinnerung an
das hundertjährige Bestehen jenes Theaters gefeiert werden. Es verlief
glänzend und die ganze Ballgesellschaft war in der heitersten Stimmung.
Im Volke erzählte man sich aber, daß in derselben Stunde, in welcher
die Königin Marie am Arme des Prinzen Luitpold im Festsaale die
Runde machte, der Geist der Kurfürstin Maria Anna als eine schwarze
Gestalt in den Gängen des königlichen Schlosses wandelnd gesehen worden
sei. Es war der Aberglaube verbreitet, daß der Geist dieser Fürstin im
Schlosse umgehe, und daß sein Erscheinen dem königlichen Hause Unglück
hedeute.
Die bald darauf folgenden Ereignisse schienen diesem Aberglauben
Recht zu geben. Schon vier Wochen nach jenem Feste starb König Marx II.
Er hatte sich zur Wiederherstellung seiner schwer angegriffenen Gesundheit
nach Italien begeben. Da traf ihn in Rom das dringende Gesuch der
Münchener Stadtvertretung, angesichts der ernsten politischen Verhältuisse
in Deutschand nach seiner Hauptstadt zurückzukehren. Die Erbfolge in
Schleswig-Holstein war es, die seit dem Tode des Königs Friedrich VII.
von Dänemark am 15. November 1868 die Gemüter in ganz Deutschland
mächtig bewegte, und die nach kurzer Zeit zu einer vollständigen Um—
gestaltung der deutschen Verhältnisse führen sollte. Prinz Friedrich von
Augustenburg, der Vater der Gemahlin des deutschen Kaisers Wilhelm II.,
Viktoria Augusta, erhob Anspruch auf die beiden Herzogtümer und fand bei
den deutschen Fürsten, wie bei dem deutschen Volke, zumal in Süddeutschland,
warme und begeisterte Unterstützung. So trat auch an die bayerische