Volltext: Hans Sachs

22 
In der Zactigen Komödie „Die geduldige und gehorsame Markgräfin 
Griselda“ wird dem Markgrafen, der soeben den Auftrag zur Anordnung 
des Hochzeitsmahles gegeben hat, unmittelbar darauf in demselben Acte 
die Geburt einer Tochter angezeigt. Und kaum hat dann der Markgraf 
den Auftrag zur Beseitigung dieser Tochter gegeben, so kommt auch schon 
die Meldung, daß ihm Griselda einen Sohn geboren habe. Der Nürn— 
berger Meister stellt sich überhaupt die Aufgabe, die von ihm behandelten 
Stoffe auf die Gegenwart zu beziehen, sie mit Rücksicht auf und für 
seine Zeitgenossen darzustellen. Daß in Folge dessen eine Illusion, wie 
sie unsere Zeit verlangt, nicht erzielt werden kann, ist klar; dies wurde 
auch gar nicht angestrebt. Dichter und Zuschauer jener Zeit begnügten 
sich damit, die Handlung wie in einem Bildercyklus an sich vorüberziehen 
zu lassen. Für diese Verzichtleistung auf jede Illusion spricht ja auch die 
Gewohnheit, den Schlußworten des Dramas den Namen des Dichters 
hinzuzufügen. Trotz dieser Mängel tritt aber in den dramatischen Ge— 
dichten ebensowie in den Spruchgedichten die seltene Begabung des uner— 
inüdlichen Meisters hervor. Seine Dramen erheben sich weit über die 
seiner Zeitgenossen. Unsere bedeutendsten Literarhistoriker haben dies auch 
rückhaltslos anerkannt. Hier die Worte eines derselben: „Hier denn (im 
Drama), von der Tabulatur ganz abgewendet, liegt sein Hauptgebiet und 
hier vorzüglich, sobald man nur weniger darauf achtet, was jetzt schon 
erreicht, als was im Drange innerer Nöthigung mit Eifer erstrebt worden, 
seine Bedeutung für unsere Literaturgeschichte. Er war unter den nam— 
haften Dichtern seiner Zeit der erste, der unser Drama aus der Schmal-⸗ 
heit der Stoffe und der Roheit der Form, die es bisher eingeengt, anf 
das freie Feld einer Kunstübung nach antiker Art zu versetzen suchte, und 
nicht bloß in Nürnberg, weit uͤber die Grenzen seiner Vaterstadt hinaus 
hat sein Vorbild einflußreich gewirkt.“ (Wackernagel.) Ein besonders 
hoch anzurechnendes Verdienst erwarb sich Hans Sachs um das Drama, 
indem er die Schranken, von denen bisher der Bereich der dramatischen 
Stoffe umschlossen war, kühn überschritt. Seine Quellen sind dieselben, 
wie zu den übrigen Dichtungen, er hat ja auch zahlreiche Stoffe, die 
zuerst als Lieder oder Sprüche bearbeitet worden waren, später zu Dramen 
verwendet (so z. B. die ungleichen Kinder Evä, Lisabetha und Lorenzo, 
der unglückliche Hagwardus, die Sage von der schönen Magelona u. a.). 
Am schwächsten sind entschieden Sachsens biblische Dramen, weil er sich 
da der Ueberlieferung allzu ängstlich fuüügte. Er behandelt dramatisch die 
Schöpfungsgeschichte, Sündenfall u. s. w., die Geschichte Jakobs und Esaus, 
Davids und Absalons, Salomos, des Moses u. A. 
Der antiken Sage, Mythe und Geschichte entnimmt er die Stoffe 
zu zahlreichen Tragödien und Komödien: Paris, Klytämnestra, Odysseus 
(bei Sachs Ulifses), Cyrus, Darius, Xerxes, Alexander d. Gr., Romulus 
und Remus, Mucius Scaevola sind Helden von ihm verfaßter Dramen. 
Ja, er hat selbst antike Dramen in deutschen Reimen erneuert, so den 
Plutus des Aristophanes, die Menaechmen des Plautus, und seine Tra—
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.