Volltext: Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des Ärztlichen Vereins Nürnberg

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günstiges Bild. Es ınag das von uncontrollirbaren Zufälligkeiten abhängen, 
da gerade Mittelfranken als einer der bekanntesten Herde epidemischer Cere- 
brospinalmeningitis, die so häufig zu totaler Taubheit führt, eher das Gegen- 
theil hätte erwarten lassen. 
Von den ı2 Fällen totaler Taubheit in den mittelfränkischen Anstalten 
waren 7 durch Meningitis, 2 durch acute Infectionskrankheiten bedingt und 
nur 3 angeboren, Schon in diesem Verhalten zeigt sich die auch anderwärts 
1ervortretende relative Gutartigkeit der angeborenen Formen von Taubstummheit. 
Wollte man indessen die Bedeutung der Taubstummbheit nur nach dem 
Procentsatz der doppelseitig absolut Tauben beurtheilen, so würde man einem 
trügerischen Optimismus verfallen, Die Fälle mit so geringen Hörresten, dass 
ein Vocalgehör weder zur Zeit besteht, noch durch Hörunterricht erreichbar 
erscheint, unterscheiden sich von den total Tauben mehr theoretisch und für 
die Betrachtungsweise des Ohrenarztes. In Hinsicht auf das praktische Leben 
und den Verkehr mit ihren Mitmenschen sind sie den völlig Tauben gleich 
zu errachten, und gelten auch fast ohne Ausnahme als solche, bis die schweren 
Edelmann’schen Stimmgabeln oder die durchdringenden Töne der Orgelpfeife 
dicht am Ohr erklingen und das schlummernde überaus schwache und practisch 
ınbrauchbare Restchen von Hörvermögen aufdecken. 
Den realen Verhältnissen und der Wichtigkeit des Leidens für das In- 
dividuum trägt man besser durch Berücksichtigung jener Fälle Rechnung, die 
auf einem oder auf beiden Ohren noch soviel Hörvermögen besitzen, um 
laute Sprachen dicht am Ohr zu verstehen, oder doch verstehen zu lernen. 
Solche Kinder fanden sich in den 3 mittelfränkischen Anstalten 33, d. h. 45,8 % 
aller Zöglinge. Auch dies muss als ein günstiges Ergebniss bezeichnet werden, 
Bezold fand unter den Münchner Taubstummen in der ersten Untersuchungs- 
reihe 38 %, in der zweiten 39 % mit brauchbaren Hörresten. Ob von mir 
vielleicht in einem oder dem andern Falle eine zu günstige Beurtheilung statt- 
gefunden hat, wird der Erfolg des Hörunterrichts lehren. Sicher ist, dass 
dieser Theil meiner Statistik durch eine Anzahl von uneigentlich Taubstummen 
aufgebessert wurde, die man als Hörstumm zu bezeichnen pflegt. So ver- 
stand z, B. Hans R. (No. 9 der Haupttabelle) Conversationssprache bis 8 Meter, 
und zwei andere Clara B. (No. 19) und Hans Sch. (No. 32) sogar Flüster- 
sprache bis 8 Meter, 
Mit der Auswahl dieser zum Unterricht vom Ohr aus befahigten für die 
neu Zu errichtenden »Hörklassen« bestimmten Zöglinge war der Hauptzweck 
der von der Regierung angeordneten Untersuchung erfüllt. Das fachwissen: 
schaftliche Interesse geht aber weit über diese Grenze hinaus, und knüpft 
sich vorzugsweise an die Ergebnisse der Prüfung mit der continuirlichen Ton- 
reihe. Bezold hat wiederholt darauf hingewiesen, dass wir durch die Prüfung 
mit einer reinen obertönefreien Skala die Helmholtz’sche Hypothese von der 
tonzerlegenden Function der Schnecke auf ihre Richtigkeit zu prüfen ver- 
mögen, und zwar bis zu einem gewissen Grade schon dadurch, dass es ge 
lingt, einen Ausfall einzelner Strecken aus unserem Tonbereich festzustellen.
	        
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