Volltext: Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens des Ärztlichen Vereins Nürnberg

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Die Sensibilität war in hohem Grade gestört. Bei völliger Aufhebung 
des Lagegefühls an sämmtlichen Extremitäten bestand Aufhebung der Tast-, 
Schmerz- und Temperaturempfindung. An den Armen zeigte sich Ataxie. 
Weiter tabische Erscheinungen fanden sich nicht. Der Tod erfolgte erst im 
Alter von 58 Jahren. Die anatomische Untersuchung ergab eine Sklerose 
der Hinterstränge mit Atrophie der grauen Substanz und Sklerose der 
Rückenmarkswurzeln und peripheren Nerven. Der Fall hat eine verschieden- 
artige Beurtheilung gefunden. Der Verfasser beschreibt ihn als infantile 
Tabes, Dejerine fasst ihn als Neuritis interstitialis hypertrophica und 
Marinesco als progressive Muskelatrophie nach dem Typus Charcot 
Marie auf. 
Als eine hereditär entstandene Misch- und UVebergangsform zwischen 
echter Tabes und Friedreich’scher Ataxie bezeichnet Raymond!”) selbst 
seine Beobachtung, welche einen 17jährigen jungen Menschen betrifft, dessen 
Vater auch an Tabes litt. 
Für letztere Erkrankung sprachen die Opticusatrophie, die Ataxie, die 
Sensibilitätstörungen, dagegen waren mehr für Friedreich characteristisch 
die Sprachstörung, die Scoliose, die geistige Schwäche, der Nystagmus, der 
serebellar-atactische Gang. 
Nicht zum Bilde der infantilen Tabes dürfen meines Erachtens die Fälle 
gerechnet werden, in denen die spinalen Symptome nur Erscheinungen einer 
progressiven Paralyse sind. Hier wäre zu erwähnen die Beobachtung von 
Strümpell !8), welche ein 13jähriges Mädchen betrifft, 
Diesen zweifelhaften Fällen stehen nur eine Reihe sicherer, wohl charac- 
terisierter Beobachtungen gegenüber, deren ganzer Symptomencomplex trotz 
des jugendlichen Alters keine andere Diagnose als die einer Tabes zulässt. 
Es wären zuerst die 3 Fälle von Remak 19) aus dem Jahre 1885 zu er- 
wähnen. Dieselben werden bezüglich der Richtigkeit der Diagnose von fast 
allen Autoren anerkannt. 
Nur bezüglich des 2, Falles, bei welchem auf eine specifische Behand- 
lung hin eine ganz wesentliche Besserung des Sehvermögens erzielt wurde, 
hat Kalischer Bedenken. Ein derartiges Vorkommen ist ja auch bei der 
Tabes sehr selten und macht nach Uhthoff eine syphilitische Erkrankung 
der Opticus wahrscheinlich. 
Abgesehen davon sind sich die 3 beschriebenen Fälle recht ähnlich, in 
allen 3 war Lues der Erzeuger fast oder ganz sicher vorhanden. Im 
Symptomenbilde finden wir bei allen 3 Beobachtungen Opticusatrophie, Blasen- 
störungen, lancinierende Schmerzen und das Westphal’sche Phänomen. 
Augenmuskellähmungen, Gürtelgefühl, Sensibilitätsstörungen und das 
Romberg’sche Zeichen waren ebenfalls in einem oder anderen der Fälle vor- 
handen. Constant fehlten atactische Erscheinungen. Leider finden wir in 
keiner der Beobachtungen Remak’s eine Bemerkung über das Verhalten der 
Pupillen.
	        
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