Volltext: Adam Krafft und die Künstler seiner Zeit

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keit am Denkmal scheint er noch ganz unter dessen Einflusse gestanden zu 
haben. Er scheint es aber nicht lange beibehalten zu haben, denn auf 
dem andern Relief: „Sebald macht einen Blinden sehend“ ringt er 
sich, den Ton auf die anatomische Modellierung der Formen legend, 
worauf ihn Barbari geführt hatte, in Anordnung und Behandlung zu 
der einfachen Gewanddarstellung der antiken Auffassung durch. Die dicken 
wollenen Gewänder seiner Zeit, die die Magdeburger Apostel noch 
tragen, vertauschte er mit leicht fließender Gewandung aus einer Art 
von feinem Linnen. Feine Falten legen sich in sanften Biegungen 
an den anatomisch durchgebildeten Körper an. Davon hatte Krafft 
und Stoß nicht das geringste. Im Gegensatze zu Krafft vermied 
Vischer auch die malerische Überfüllung in den Reliefs und wandte 
meist nur zwei Pläne an. 
Die höchste Bewunderung am Sebaldusgrabe verdienen die Apostel, 
die einzig in ihrer Art dastehen. Sie können als Vorläufer für Dürers 
Apostel gelten. Von schlankem Aufban, in flüssigem Gewande, zeigen 
diese wunderbaren Gestalten das Gepräge einer idealen Schönheit, die 
auf italienische Einflüsse deutet. Mit ihr ist in staunenswerter Weise 
vorzügliche Charakteristik in den Köpfen verbunden, und daneben sind, 
man muß sagen in glücklichster Mischung mittelalterliche Elemente, die 
sich in der starkgeschwungenen Körperhaltung nicht verleugnen, hinzu— 
gefügt. Trotz einer scheinbaren statuarischen Ruhe verraten sie die 
größte seelische Bewegung. Der eine ist im Lesen vertieft, ein andrer 
denkt nach, einige, sich zugewendet, reden mit größtem Eifer von reli— 
ziösen Dingen. Überall Handlung! In den Magdeburger Aposteln, 
die als Vorstufe zu betrachten sind, fehlt sie noch. 
Vorbilder der frühen Florentiner Kunst muß Peter Vischer zu 
Gesicht bekommen haben, wahrscheinlich durch seinen Sohn Hermann. 
Darauf deutet die Begegnung Christi mit den Frauen des Lazarus, 
ein Epitaph der Frau Margarethe Tucher vom Jahre 1521 im Dome 
zu Regensburg. Das architektonische Beiwerk, die mit frühen Renais— 
sance-Ornamenten geschmückten Pilaster, die korinthisierenden Kapitäle, 
darüber die Kämpferaufsätze und die gelungenen Versuche perspektivisch— 
architektonischer Verkürzung im Relief, das ganz nach italienischem 
Muster im „reélievo sciacciato“ d. h. im gequetschten (flachen) Relief 
behandelt ist: das alles sind Anklänge an die in Florenz ihren Ur— 
sprung nehmende Frührenaissance), deren unaussprechlicher Reiz etwas 
) Trotzdem kommt in dem Rippengewölbe noch einmal die Gotik zum Vor—⸗ 
schein. Der architektonische Hintergrund erinnert an Bramante.
	        
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