Full text: "Als Nürnberg freie Reichsstadt war"

198 — 
Da schlug das Mädchen das dunkle Auge zu 
ihm auf, um in seinem Gesicht zu lesen, ob er ihrer 
noch immer mit früherer Liebe gedenke. 
„Ziere Dich nicht, Mädel!“ rief ihr Vater da— 
zwischen, „Gerhard ist Dir treu geblieben, oder ich 
müßte mich in ihm verrechnet haben; gib ihm einen 
Ehrenkuß zum Empfang, wahrlich er hat ihn verdient.“ 
Dem Befehl war schon treulich nachgekommen. 
ehe der Vater geendet.hatte. 
„So!“ fuhr er fort, „und nun hole einen Trunk 
und einen Imbiß für den Herrn Gefreiten; dann 
setzt Euch her zu mir und Gerhard mag erzählen.“ 
Es war noch keine halbe Stunde verlaufen und 
der junge Mann sah sich da wieder heimisch, wo er 
nach dem frühen Tode seiner Eltern, als das Kind 
vom Hause betrachtet wurde. Lustig scherzte er wieder 
mit Gertrud, durchlief mit ihr nochmals die freund— 
lichen Scenen der Jugend, erinnerte sie an Be— 
gebenheiten, als sie seine Eifersucht rege gemacht hatte 
und der Vater belächelte zufrieden die Traulichkeit 
seiner Kinder. Denn erfüllt war jetzt, was er dem 
künftigen Gatten seines Kindes einst zur Bedingung 
gemacht hatte; sein Liebling war heimgekehrt als 
tapferer Soldat im Heere des tapfern Königs, und 
was die Hauptsache ausmachte, sein guter Genius 
hatte ihn glücklich uber den ungeheuren Abgrund der 
Sittenverderbniß der Soldateska damaliger Zeit hinweg— 
geleitet. 
Nachdem er der Ausgelassenheit der Beiden lange 
zugeschaut hatte, sprach er endlich: „Jetzt, Herr Ge— 
freiter, möchte ich doch wohl ein paar Worte mit ihm 
reden, wenn's erlaubt ist. Es verlangt mich nämlich
	        
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