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Da schlug das Mädchen das dunkle Auge zu
ihm auf, um in seinem Gesicht zu lesen, ob er ihrer
noch immer mit früherer Liebe gedenke.
„Ziere Dich nicht, Mädel!“ rief ihr Vater da—
zwischen, „Gerhard ist Dir treu geblieben, oder ich
müßte mich in ihm verrechnet haben; gib ihm einen
Ehrenkuß zum Empfang, wahrlich er hat ihn verdient.“
Dem Befehl war schon treulich nachgekommen.
ehe der Vater geendet.hatte.
„So!“ fuhr er fort, „und nun hole einen Trunk
und einen Imbiß für den Herrn Gefreiten; dann
setzt Euch her zu mir und Gerhard mag erzählen.“
Es war noch keine halbe Stunde verlaufen und
der junge Mann sah sich da wieder heimisch, wo er
nach dem frühen Tode seiner Eltern, als das Kind
vom Hause betrachtet wurde. Lustig scherzte er wieder
mit Gertrud, durchlief mit ihr nochmals die freund—
lichen Scenen der Jugend, erinnerte sie an Be—
gebenheiten, als sie seine Eifersucht rege gemacht hatte
und der Vater belächelte zufrieden die Traulichkeit
seiner Kinder. Denn erfüllt war jetzt, was er dem
künftigen Gatten seines Kindes einst zur Bedingung
gemacht hatte; sein Liebling war heimgekehrt als
tapferer Soldat im Heere des tapfern Königs, und
was die Hauptsache ausmachte, sein guter Genius
hatte ihn glücklich uber den ungeheuren Abgrund der
Sittenverderbniß der Soldateska damaliger Zeit hinweg—
geleitet.
Nachdem er der Ausgelassenheit der Beiden lange
zugeschaut hatte, sprach er endlich: „Jetzt, Herr Ge—
freiter, möchte ich doch wohl ein paar Worte mit ihm
reden, wenn's erlaubt ist. Es verlangt mich nämlich