Volltext: Zur Abwehr

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Zur Abwehr. 
Von A LuÄdwie Stiefel. 
B. Seuffert hat in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1895, S. 817—826 die von mir 
herausgegebenen Hans Sachs - Forschungen besprochen und dabei besonders meinen 
Beitrag (Uber die Quellen der Fabeln, Märchen und Schwänke des Hans Sachs) zum 
aegenstand eines äusserst heftigen Angriffs gemacht. Ich lasse mir auch eine scharfe 
Kritik ruhig gefallen, sobald sie streng gerecht ist und mich eines Besseren belehrt. 
Sesitzt aber Seufferts Besprechung diese Eigenschaften? Die Beantwortung dieser 
Frage soll uns hier beschäftigen, nachdem die Göttinger agelehrten Anzeigen keinen 
Raum zur Polemik bieten. 
Anknüpfend an ein paar einleitende Worte meiner Abhandlung, worin ich in ge- 
hobener Festesstimmung die ungeheure Belesenheit des Nürnberger Meisters und sein 
geschicktes Kontaminationsverfahren rühme, eröffnet Seuffert seinen Angriff, indem er 
mir vorwirft: „In so allgemein gehaltene Bewunderung des Hans Sachs verstrickt, trägt 
Stiefel sein Lob dick auf und behauptet auch da zuversichtlich, Hans Sachs habe vortreff- 
lich originell erfunden, wo er eine unbekannte Quelle voraussetzen muss, z. B. S. 53.“ 
Seuffert hebt also mit dem Versuche an, den Wert meiner Arbeit dadurch herabzu- 
drücken, dass er meine Objektivität verdächtigt: In Bewunderung des Hans Sachs 
verstrickt, überschätze ich den Dichter; ich sehe Vorzüge, wo nuv Fehler sind; ergo 
die Arbeit ist wertlos. Aber wie ist es möglich, dass ich in Bewunderung des Hans 
Sachs „verstrickt“ bin, wenn meine Abhandlung zu dem Resultate gelangt, dass der 
Dichter kaum eine einzige Fabel selbst ersonnen, dass er in zahllosen Fällen nichts 
getan hat, als seine prosaischen Vorlagen in Reime umzusetzen und seine gereimten 
zu parafrasieren, dass er ein paarmal fast ganz zum Plagiator herabsinkt und dass 
ihm das Lob der Originalität meistens nur für einzelne Verse, sowie kleinere oder 
zrössere Zusätze, selten für die Auffassung des Ganzen, gebührt? Jeder, der meine 
Arbeit unbefangen liest, wird finden, dass sie durchweg objektiv gehalten ist, dass sie 
Lob und Tadel nur anbringt, wo es verdient ist. Die Bewunderung, die ich der Be- 
‚esenheit des Meisters zolle, teilt alle Welt. Was das von mir hervorgehobene Kon- 
‚aminationsverfahren des Hans Sachs betrifft, so wendet es der Dichter auch bei ganz 
wertlosen Reimereien an. Wenn ich nun, gestützt auf diese Eigenart, sage, dass er 
in der Regel zielbewusst und überlegt zu Werke ging, so wollte ich damit natürlich 
in keiner Weise für den wirklichen Wert der Erzeugnisse präjudizieren. Was Hans 
Sachs Treffliches und Bleibendes geleistet hat, ist längst nicht mehr kontrovers. Ich 
yehe in der allgemeinen Wertschätzung des Meistersängers nicht über Männer wie 
Jacob Grimm, F. W. V. Schmidt, Goedeke, E. Goetze u. a. hinaus. Dass ich in Wirk- 
lichkeit nicht „in Bewunderung des Hans Sachs verstrickt“ bin, bezeugt mir übrigens — 
Herr Seuffert selbst, indem er auf „einzelne tadelnde Urteile auf S. 50f. 58. 84. 1083. 
115f. — er hätte noch hinzufügen können S. 104. 115. 156. 162, 182 — hinweist, aber 
seltsamerweise dieselben als „in schroffem Gegensatze‘“ zu meiner Bewunderung stehend 
bezeichnet. 0 der wunderbaren Logik! Weil ich nach Seufferts Meinung Hans Sachs mehr 
als billig bewundere, darf ich nichts an ihm tadeln, ohne mit mir in Widerspruch zu 
geraten? Giebt es denn einen Dichter — und man nehme gleich den ersten der Welt — 
an dem nichts auszusetzen wäre? Wer ist da ‚verstrickt‘. ich oder Seuffert? Wer
	        
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