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Wilhelm Weber zählt im Jahre 1549 in feinem
Meiftergefangbuch 121 Meiftertöne, Valentin Wildnaur
fpridht in feinem 1551 begonnenen Meifterfingerlieder-
buch von 136 Meifjtertönen. Faft jeder Dichter {Huf
in der fpäteren Zeit eine neue Melodie für ein neues
Gedicht, freilidH Lafjen fi viele Tage gar nicht nadh-
weijen 3. B. „Die goldene Weije Walthers von der
VBogelweide.‘“ Die Sammler von Meifjterfingerliedern
waren fi® wohl bewußt, daß mandje Töne erft von
ipäteren Dichtern in den Tönen älterer Meifter nach:
gedichtet waren.
Die an den verfdhiedenen Orten geltendenten „Schul-
regeln“ gingen übrigens almählidh auseinander. Hierin
(ag mit der Grund des fpäteren Verfals der Meifter-
Angerfunit.
Einridtung der MWeißferingerfoulen u. f. w.
Wer die Kunft des Meiftergejanges erlernen wollte,
ging zu einem Meifter, der wenigftens einmal in der
Singjhule den Preis gewonnen Hatte, und diefer
unterrichtete den Schüler unentgeltlidh, objhon der
wadere Handwerker feine Zeit zur Gewinnung feines
tägliden Brotes voll gebrauchte. Er weiht jenen in
die Gejege der Tabhulatur ein und lehrt ihn, was es
heißt: zur Chre Gottes fingen. Hat der Lehrling die
Sefjege der Kunft erlernt, und kann er eine Anzahl
Töne, befonders die vier gefrönten, und hat er fidh gut
gehalten, fo wird er auf der „Zeh“ oder im Wirtshaus,
wo bie gewöhnliden HZujammenkünfte find, und zwar
am Thomastag nad) abgelegter YJahresredhnung, der
Sefellfidhaft dur den Lehrmeifter vorgeftellt, mit der
Bitte um feine Aufnahme. Die „Merker“ ftellen eine
Probe an, ob der Bewerber ehrlidher Seburt jei, ih eines