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— mit der stolzen Kaiserburg — von Angesicht kennen zu
lernen.
Mit gespannter Erwartung blickte die ehemalige freie Reichs—
stadt der Ankunft des Herrschers entgegen. Vorbereitungen über
Vorbereitungen wurden getroffen, um den Empfang würdig zu ge—
stalten. — Unter die freudige Aufregung mischte sich die ängstliche
Frage: wie wird sich der hohe Gast aus königlichem Geblüte zu
den biedern Bewohnern der Industrie- und Handelsstadt stellen ?“
Der große Tag kam. Am 30. November 1866, um 38/4 Uhr
donnerten vier Bürgerwehrkanonen von der Bärenschanz herab die
Kunde über die Stadt: „Dein KRönig ist da!“
Die vornehme, sehr jugendliche, damals noch sehr schlanke
Erscheinung, mit dem idealen Kopfe, den begeistert blickenden
Augen erregte allgemeines Wohlgefallen. Des Königs Leutselig—
keit fesselte die zaghaften Herzen und ließ sie ihm warm ent—
gegenschlagen.
Die guten Nürnberger wußten nicht, wie sie hinreichend
ihre Bezeugungen von Liebe und Verehrung darbringen sollten.
Stunden- ja tagelang drängte das Volk in geduldigem
Warten und Harren die Straßen entlang, welche Seine Majestät
durchfahren oder durchschreiten mußte — donnerndes Hurrah
umtoste stets von Neuem den nach allen Seiten Grüßenden und
Dankenden. Bis in die späten Nachtstunden blieben die Häuser
der Straßen illuminirt, welche der König bei seiner Rückfahrt
von Theater, Konzerten ꝛc. berührte. — Ja, der Eifer der
Bürger ging soweit, daß einigen wenigen Häusern, welche am
ersten Abend nicht illuminirt waren, die Fensterscheiben einge—
worfen wurden. Von den schlanken Türmen der Lorenzer- und
Sebalder-Kirchen strahlte weithin der Glutregen bengalischer
Feuer. In Licht und wieder Licht sollte dem jungen Herrscher
allenthalben der Nürnberger Begeisterung entgegenleuchten.
Am ersten Abend nach seiner Ankunft wohnte er der Auf—
führung der „Afrikanerin“ im Stadttheater bei. — Was die
elegante Welt Nürnbergs nur immer aufbieten konnte an Putz
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