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Dreißigstes Kapitel.
den Schulen und über Tisch im Abendmahl. Siefressen der
Witwen Häuser und wenden langes Gebet vor. Dieselben werden
desto mehr Verdammnis empfahen.“
Ein ganzes Jahr war dahingegangen, ehe Dürer dieses
Meisterwerk, die Krone alles seines Schaffens vollendet hatte.
Kaum aber hatte er die Hände von dem Farbenschmutz
gereinigt; so griff er zu Papier und Feder und schrieb seinem
Bilde den Geleitsbrief an den Empfänger. Nicht ein Auftrag—
geber hatte diesmal hinter ihm gestanden, das eigne Herz war
es gewesen, was ihn zu der Arbeit zwang, und wem die Ar—
beit geweihet werden sollte, das wußte er auch von Anfang an:
seiner lieben Vaterstadt. So lautete der Brief:
Fürsichtige, ehrbare, weise Herren!
Dieweil ich vorlängst wäre geneigt gewesen, Eure Weis—
heit mit meiner kleinwürdigen Malerei zu einem Gedächtnis
zu verehren, habe ich doch solches aus Mangelhaftigkeit mei—
ner geringschätzigen Werke unterlassen müssen, weil ich ge—
wußt, daß ich mit denselben vor Eurer Weisheit nicht wohl
hätte bestehen mögen. Nachdem ich aber diese vergangene
Zeit eine Tafel gemalt und darauf mehr Fleiß denn auf an—
dere Gemälde gelegt habe, achte ich niemand würdiger, diese
zu einem Gedächtnis zu behalten, als Eure Weisheit. Des—
halb ich dieselbe hiemit weihe, unterthänigen Fleißes bittend,
sie wollen dieses mein kleines Geschenk gefällig und günstig
annehmen und meine günstigen lieben Herren, wie ich bis
anher allwege gefunden habe, sein und bleiben. Des will
ich mit aller Unterthänigkeit um Eure Weisheit zu verdienen
stets beflissen sein.
Eurer Weisheit unterthäniger
Albrecht Dürer.“