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Siebenundzwanzigstes Kapitel.
die Liebe: es dachte jeder nur an sich und überließ die andern
ihrem Schicksal.
Zu Albrecht Dürer trat eines Morgens Herr Wilibald
Pirkheimer im Reisekleid. „Ich komme, Euch Lebewohl zu sagen“,
sprach er schon auf der Schwelle. „In Neuenhof auf dem Land—
gut meines Schwähers Geuder ist reine Luft, dort will ich wei—
len, bis des Sterbens allhier ein Ende. — — Siehe, auch
Euch finde ich im Aufbruch begriffen?“ fragte er dann, als er
einer Truhe gewahr ward, an welcher Frau Agnes eben han—
tiert hatte.
Dürer nickte. „Ja, auch wir wollen unser Heil in der
Flucht suchen.“
„.Und wohin gedenket Ihr Euch zu wenden?“
„Mir ist die Wegrichtung gewiesen durch einen Wunsch,
den ich schon längere Zeit mit mir herumgetragen: nach Nieder—
land will ich, dem neuen Kaiser zu begegnen und mich seiner
Huld zu befehlen, daß mir durch ihn werde, was mir durch
den tödlichen Hintritt des Kaisers Maximilian entgangen: der
Lohn meiner Arbeit für denselben im Betrag von zweihundert
rheinischen Gülden und die Zusicherung der Fortgewährung des
Leibgedinges, welches ich der Gunst des seligen Kaisers danke.
Der Neuerwählte ist ja auf dem Weg ins Niederland, um von
da aus zur Krönung gen Aachen zu reisen. Zugleich aber möchte
ich im Niederland das Handwerk grüßen und mich der Kunst,
die dorten blüht, erfreuen. Hoffe auch von meinen Sachen
manches an den Mann zu bringen und also die Kosten der
Reise herauszuschlagen, desgleichen durch Geschenk mir manchen
Gönner und Fürsprech zu erwerben.“
„Nun, so geleit Euch Gott, mein liebster Freund“, sprach
Pirkheimer tief bewegt, „und schenke uns nach überstandener Pesti—
lenz ein frohes Wiedersehen!“