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Sulenfpiegel, weiland vor Yahreır
In aller Schalfheit wohl erfahren,
Sief in ’nem Winter über Feld,
Hatt’ {chlecdhte Kleider und kein Geld.
Da begegnete er einem Bijhof, der mit feinem reifigen
Zuge nad) Worms zum Reichstage ritt. Der Bifhof merkte
wohl, daß es ein Syaßmacher wäre, und dachte:
Kinder und Narr'n die Wahrheit Jagen,
Sch will gleich diefen reden an,
Der wird mir gar bald Jagen han,
Was das Gefchrei {ft von Zürft'n und Herı'n
Bei dent gemein’n Mann, nah und fern.
AB er ihn darauf nach feinem Handwerk fragte, ant-
mortete er, er fei ein Brillenmacher ; daZ fei ein böfes
Handwerk; feit drei Yahren Habe er faft alle Länder Europas
durchwandert und doch nirgend3 Arbeit gefunden. Der
Bifchof wunderte fih darüber; er meint, diefes Handwerk
müfje jeßt dod) viel beffer gehen, denn vor Jahren, da die
inenfchlidhe Natur immer fchwächer und gebrechliher werde
und daS blöde nıenjchlidhe Geficht der Brille bedürie; zu
mal, auch
Die Unien lefen alfo viel,
afjt jeder Doktor werden will,
Und in der Schrift umphantafieren,
Biel mit den Geittlichen dievutieren.
Deshalb glaube er, die Schuld läge an Eulenjpiegel
jefbit; er fei faul, arbeite nicht gern und ftreiche lieber in
der Welt umher. Eulenfpiegel Iäßt jedoch dieflen Vormwurt
nicht aelten. Er faat:
Scomm’ geiftlich” Leut’ find fafjt all’ g’jtorben,
Die viel Ne in heil’ger Schrift,
Suchten allein die Gottesehr’,
Und die Lieb’ ihres Nächften mehr,
213 ihren eignen Ruhm und Muß’,
Ohn’ allen Neid und Trug.
Die find fajt all’ gm Gimmel g’fahr'n,
Und jeBund viel Brillen ertvar'n.