Volltext: Die Zinnmalerinnen in Nürnberg und Fürth

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Wenn der Fabrikant ein tüchtiger Zeichner ift, was bei den meiften der 
Fall ift, fo graviert er die von ihm gebrauchten Gußformen wenigftens zum 
Teil felbft, wodurch er eine große Ausgabe für den Gravierer erfpart. Er 
arfindet ferner die Mufter. In der Spielmareninduftrie giebt e8 einzelne 
Artikel, die nicht altern; die übrigen Maren aber haben wegen bes ftetigen 
Berlangens nach neuen Artikeln oder doch neuer Ausführung älterer Artikel 
meift fein langes Leben. Es ift daher ein großer Vorteil für den Spiel: 
marenfabhrifanten, erfinderifch in neuen Muftern zu fein! Der Binnfiguren: 
fabrifant hat in diefer Hinficht zwei Vorteile vor den andern Spielmaren- 
fabrifanten voraus. CErftehs hat er eine bedeutende Anzahl von Muitern, 
Hauptfächlih folde Figuren, welche preußijhe oder bayrifche Infanterie oder 
Kavallerie darftellen, die vorausfichtlih nicht altmodifch werden, jo lange e8 
diefe Truppen giebt, und auf deren Ubfjaß er ftets rechnen Kann. Zweitens 
bietet die leichte Bearbeitung des Material8 den Vorteil, daß alle beliebigen 
Hormen hergeftellt werden Können. Daher kann er alle Ereigniffe der Rolitik 
und des Gefellfchaftslebens für fein Produkt ausnüßen. So waren 3. 3. 
1898 die neueften Artikel fpanifdhe und amerifanifche Soldaten und Krieas: 
Ichiffe und die Einwohnerfchaft von Kiaoutfchau. 
Die Mufter werden im Betriebe gemalt und den Heimarbeiterinnen als 
Vorlagen mit nad) Haufe gegeben. Die Befhäftigung der Zinnmalerinnen durch 
den Fabrifanten gefchieht direkt, ohne Vermittlung einer Zwifdenperfon. 
Frauen, melde Arbeit fuchen, fragen in der Fabrik an; Habrikanten, die 
Arbeiterinnen fuchen, inferieren in den von den Arbeitern gelefenen Beitungen. 
Das Liefern der fertigen Arbeit gefchieht durch die Arbeiterinnen oder 
deren Kinder. Beftimmte Siefertage giebt e8 nicht ; bie Zinnmalerin Kiefert 
ihre Arbeit, wenn fie diefelbe vollendet hat. Bei notwendigem Se{häfts: 
gang wird ihr freilih der Termin anaeaeben, bis zu meldiem fie die Arbeit 
fertigen foll. 
Die Menge der Arbeit und der Arbeitslohn find gewöhnlich auf einen 
Sieferzettel gefchrichen. Wo der Habrikant felbft die Arbeit ausgiebt, Fon: 
ırolliert und wieder abnimmt, wird oft ein einfader Bapierfeben benüßt; 
gefchieht die Ausgabe und Abnahme durch Perfonen des Sefchäftsperfonals, 
0 find die Lieferzettel gedrudt. WGeaen Rückgabe des Rettel8 erfolat die 
* Se{dhidlicdhfeit in der Erfindung neuer Mufter und Wohlfeilheit der Pro- 
duftion find die beiden Horderungen, welche von jeher an den Spielmarenfabrikanten 
zeftellt wurden. Die oben citierte HandjHrift fchreibt an einer Stelle (S. 127) von 
den Wachspoffierern: „wer nun was {hönes und in wohlfeilen VPreiß Arbeit, he: 
fommt no immer zu thun.“ Das Fönnte man auch für heute noch vollftändin 
unterfchreiben.
	        
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