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Erstes Rapitel.
HFürnbergs Infänge unter den Baliern.
WMo in unseren Tagen zur Gewinnung einer Rundsicht über das
MNGebiet von Nürnberg den Aussichtsturm des Schmaußenbucks
besteigt und seinen Blick vorerst südwärts richtet, gewahrt unter sich ein
weites, schier endlos scheinend wogendes Meer ragender Baumwipfel.
Wendet er sich ost- und nordwärts, so sieht er, wie links und rechts
von der Pegnitz durch den wie ein Teppich hingebreiteten Wiesengrund
auf zwei durch den Fluß getrennten, stattliche Ortschaften verbindenden
Eisensträngen der Dampf Menschen und Güter rastlos hin und her
bewegt, an den Halden der aus dem Flußthale sich erhebenden Höhen
lagern Fruchtfelder und Hopfengärten in anmutigem Wechsel; das
Gebiet des Waldes aber ist bis auf vereinzelte Strecken zurückgedrängt
auf die Kuppen und Gipfel der Hügel und Berge. Das Ganze ist
ein lieblich heiteres Bild, geschaffen durch menschlichen Fleiß im
Bunde mit einer wenn auch nicht verschwenderisch üppigen, doch immer—
hin freundlichen Natur, welche die ihr gewidmete Pflege dankbar
belohnt. Wendet der Beschauer sich nun schließlich nach Westen, so
sieht er, wie jenseits der rauchumhüllten, nach allen Seiten hin sich
streckenden und reckenden Stadt, in welcher neben den altersgrauen
Türmen Hunderte von Fabrikschornsteinen emporragen, ein mächtig
weites Blachfeld ausgebreitet, vollständig übersäet mit menschlichen
Wohn- und Arbeitsstätten. Fast nichts mehr erinnert an die ursprüng—
liche Natur; Gott Vulkan hat hier sein Reich aufgerichtet, und sein
Mitregent ist der sohlenbeschwingte Merkur: in wenigen Minuten
hat so das Auge gleichsam den ganzen Gang menschheitlicher Kultur—
entwicklung durchmessen.
Doch unsere Aufgabe ist es ja nicht, die Gegenwart, sondern die
Vergangenheit zu schildern. Alles geschichtliche Darstellen aber ist im
Grunde nichts anderes als Vergegenwärtigung und Veranschaulichung
der Vergangenheit; und so wollen wir denn auf dem Grunde der
geschichtlichen Zeugnisse für einen Augenblick uns im Geiste um tausend
dahre zurückversetzen. Welch ein anderes Bild tritt da unserem
inneren Auge entgegen. Nicht blos südwärts, sondern auch nach den
anderen Himmelsrichtungen sehen wir ringsumher nichts als Wald,
Rösel, Alt-Nürnberg.