sah ja nichts von ihnen. Lieber war mir schon die
einstige Lagerstatt meines Bruders, besonders in
Tagen der Krankheit, wenn der Schlaf nicht kommen
wollte oder Fieberträume mich beunruhigten. Da
konnte ich bei dem matten Schein des Nachtlichtes
schräg drüben beim Fenster wenigstens den Kopf
meines Vaters, dder in dem nächsten Bett an jener
Wand die weiße Betthaube meiner Mutter erkennen,
wenn sie nicht selbst im Nachtgewand an mein
Bettchen schlich, um zu sehen, ob ein gesunder Schlaf
an Stelle des fiebernden Halbschlummers getreten
sei. Hab Dank, hab Dank! Das kann nur eine
Mutter! Und war es dem Knaben immerhin wichtig,
mit den neugierigen Augen der Jugend seine treue
Pflegerin auch einmal in ihrem Mangel an manchem
sonstigen Kleidungsstück zu verfolgen, der Sohn, der
zum Mann und Gatten und Vater geworden ist,
sieht in der Trägerin von Betthaube, Bettjacke und
Hemd und sonst nichts weiter, die an sein Bettchen
trat und lauschte und wieder ging und wieder kam
zu gleichem Zweck, bis das Morgenrot über die Nacht
und ihre Angst siegte, — er sieht in ihr die
Trägerin eines Mutterherzens, das treu schlug in
Freud und Leid, bis es stille stand.
Wie oft hab ich Dich auch bei Tag gestört, wenn
Du am Sekretär gleich neben dem früheren Platz
meines Bettchens „geschwind ein paar Zeilen“
schreiben wolltest. Ich hörte in meinem jugendlichen
Unverstand „ein paar Seilen“ und konnte mir dar—
unter ebenso wenig vorstellen, als unter einem Wort
unseres täglichen Tischgebetes. Wenn mein guter
Vater die Hände ineinander gelegt hatte und betete:
„Herr Gott, himmlischer Vater, segne uns und diese
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