L98 B. Besonderer Teil. III. Verletzungen an der Ehre.
er für ehrlos in Sippe und Gau, sein Wort verhallte ungehört in
Ding und Familienrat, nicht vertraute man ihm die Führung im
Kampf, die Eidhilfe und Fürsprache vor dem Richter, wie er
selbst auch in solcher Bedrängnis nicht auf gleichen Beistand
zählen durfte.
Jede Antastung der Manneschre war demnach nur zu sühnen
durch Demütigung oder Vernichtung des Gegners. Und auch
unsre ältesten Bufsbestimmungen, welche — parallel mit den mehr
auf die Verhinderung von Tätlichkeiten hinzielenden Fehdesatzungen
— die Normierung der Ehrverletzungen zum Gegenstande hatten,
bezweckten mehr die Demütigung, als die Entschädigung des
Gekränkten. Sie waren nach Art und Schwere der Beleidigung,
nach dem Ansehen der Person, nach Ort und Zeit der Vergehung
abgestuft. Das für den Friedbruch des Frevlers und die sehieds-
richterliche Tätigkeit der Stadtgewalt hiezu erhobene Gewedde
stand der Bufßse entweder an Höhe gleich oder es repräsentierte
einen Bruchteil derselben. Nicht lange hierauf wurden sodann,
sei es subsidiär oder absolut, öffentliche Leibes- und andere Strafen
substituiert. So galt vornehmlich die Verbannung als beliebtes
Mittel, unruhige Geister auseinander zu halten. Aber auch Thurm-
und Lochgefängnis bargen in der Folgezeit die Täter; Rute,
Lasterstein und Geige traten in Aktion. Endlich stand auf
schwerer Bezichtigung und Pasquill das Schwert.
Selbstredend bedurfte es als Voraussetzung der Ehrverletzung
des animus injuriandi oder wenigstens des Bewustseins der Mög-
lichkeit des ehrenkränkenden Charakters einer Äufserung, wobei
‘reilich als der Zeit gemäfs manch derber Kernfluch, manch nach
unsrer Anschauung nicht mehr als harmlos geltender Kosename
zollfrei passierte. Immerhin kam es freilich bei einem in Trunkenheit
ausgestolsenen Schimpf auf die Laune des hiemit Bedachten an;
gar oft ressultierte Totschlag aus fröhlichen Gelagen. Der Rat
veurteilte solche in Ungeschiek „ungeidlich und in Weinigkeit“
gefallne Reden stets mild, bildete auch er selbst oder des Kaisers
Majestät des Spottes Ziel.
Schelte, Schmähungen (Schmachworte) und Verleumdungen
(falsche Anschuldigungen) sind nach unsern Quellen als Gattungen
der Ehrverletzungen zu scheiden.
Beleidigungen ersterer Art blieben als landläufig meist aufser
Ansatz, wie auch ihre sofortige Erwiederung, selbst dureh nach-