Object: Albrecht Dürer

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S3wölftes Kapitel. 
5wölftes Rapitel. 
Der Prediger in der MWüste. 
Das Jahrhundert neigte seinem Ende zu. Wenn schon der 
Jahreswechsel mit seiner Predigt von der Flucht der Zeit und 
der Nichtigkeit alles Irdischen das Menschenherz bewegt, wie 
viel mehr muß der Schritt über die Schwelle eines Jahrhunderts 
das Gemüt in seinen Tiefen ergreifen! In ganz besonderm 
Maß aber war das der Fall, als das fünfzehnte Jahrhundert 
zur Rüste ging. 
Im deutschen Lande wogten die Gemüter von einer tief— 
gehenden Erregung. Mit Unmut und Abscheu blickten die Augen 
gen Rom. Auf dessen Bischofsstuhle saß ein Mann, welcher, 
in Sünden und Verbrechen geübt, alles andere eher verdiente 
als den Namen eines Statthalters Christi. Der Mann hieß 
Alexander der Sechste. Er trieb einen schamlosen Handel mit 
den höchsten geistlichen Stellen, von denen er eine Anzahl mit 
seinen Kreaturen besetzte. Noch schamloser war sein Wandel in 
Kammern und Unzucht, man bezichtigte ihn sogar der Blut— 
schande mit seiner natürlichen Tochter Lucretia. Und um selbst— 
süchtige Zwecke zu erreichen, scheute das Haupt der Christen— 
heit nicht davor zurück, sich gegen den „allerchristlichsten“ König 
von Frankreich mit dem Erbfeind der Christen, dem Türken, zu 
verbünden. 
Schwer lastete dieses Papstes Hand auf dem deutschen 
Lande, alle Freiheitsregungen wurden mit Gewalt erstickt, auf 
allen Gebieten des Lebens lag lähmend der Druck der päpst— 
lichen Tyrannei. Mit Argusaugen wachten die Schergen des 
römischen Bischofs über allem, was gedruckt die Presse verließ: 
der Bannstrahl zuckte über dem Haupt jedes Druckers, der
	        
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