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Fennen, in deren Gegenwart e& ihm unmöglich fcheint, etwas
Seichtfinniges zu thun oder zu reden, oder deren bloßer BliE
ihn firaft und zurechtweift, fo oft die Zunge fich verlrrte.
Wie vielmehr thut dies dann der Bli«k jenes unfichtbaren, und
boch innerlich immer nahen, ja fo gut al8 fichtbaren Auges,
voll ewiger Liebe, ewiger Treue, ewiger Wahrheit. Hier kernt
dann erft der Menfch, was er vor Sott, und mithin was er
wirFlich und wahrhaft feiz vorhin wußte er nur, was er zu
fein fchien. Und in Ddiefer Schule, vo Menfch! lernt das Herz
des Chriften jene feine eigenthümlichfte Sprache der Beugung
und Demuth, welche du fo oft nicht verfteheft.
In dem früheren Tagebuche dankt alfo, wie fchon ers
mwähnt, unfer feliger Tobias Sott, daß er ihm ein Herz ges
geben, das Ihn allein Kiebtz in der Folgezeit, als er fein Herz
im Lichte gefehen, fcheint das gerade eines feiner größeften Anz
liegen gewefen zu fein, daß er Ihn bei weitem nicht fo fehr liebe,
al8 die fichtbaren Freunde unter den Menfchen. Und dies wird
wohl durch alle Zeiten eine Urfache innigen Schmerzes für
bas Herz des Chriften fein: daß e& Den, der uns je und je
und bis zum Tode geliebt, noch fo wenig liebt; jedoch Fann
25 zuweilen gefchehen, daß ein fonft ernft und in Seiner
Siebe freu gewordenes Herz fich auch zu fehr mit einer folchen
Sorge quält: wenn es feine Liebe zu Sott nach dem Maßftab
des wahrnehmbaren Sefühles meffen will. Ueber diefen Maßftab
Fchreibt der felige ESper in einem Briefe an feinen brüderlichen
Sreund Kießling:
„Das Uebrige Ihres Briefes betraf Ihr Herz. Sie glauben,
daß, da die Empfindungen der Liebe gegen Ihre Freunde fo
füß, fo fühlbar, fo dringend find: fo müffen auch, und noch
inniger, noch Lebhafter Ihre Sefühle der Liebe gegen Sott be:
fchaffen fein. Verginnen Sie mir, Ihnen hierüber meine Sez
banken zu fagen:“
n Das Gefühl der Liebe, bei Erblidung eines Freundes, if
natürlicher Trieb, durch die Sinnlichkeit verftärkt: fühlbar
auffallend, mächtig, und unferer ganzen menfchlichen Natur