Full text: Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier des Pegnesischen Blumenordens

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Er figet unter den kühlen LindenfOhHatten, oder itredfet fich auf ein 
'önes Grasmättlein, da dann die Kräuter und Blumen iiber ihn 
zujammenjchlagen. Wer wird mid bereden, daß es auf Jolchen 
Bettlein, die die Natur felber gemacht, fi nicht Janfter ruhen 
ioflte, al3 zu Hof und in den Städten auf den Kiffen und 
Bolftern, die zwar mit weichen und leichten Daunen, aber auch 
nit harten und fhweren Sorgen angefüllt {ind? Gin Schäfer 
verjharret in daz Gras, indem er fich darein vergräbt, feine 
Symüdung und läffet keine Sorge mit ihm wieder aufftehen, 
weil fein vergnügtes Gemüte feine einläffet. Ein Schäfer liegt 
und fiehet über ihm den Himmel, den er defto fröhlicher anfchauet, 
weil ihn das Gewiffen feiner Unfchuld, der Gnade jeiner Sottheit 
verfichert. Und wie er denfelben die Erde umrunden fiehet, alfo 
ildet er ihm ein, werde auch diejes ganze AN von der .allweifjen 
Obacht des Schöpfer8 gleichlam umfpannet. Der fo einen fhönen 
Schwibbogen in die Luft gehänget, der Ddenfelben mit blauen 
Teppichen und mit dem Goldflor der Wolfen jo herrlich bekleidet, 
der Herr eines fo verwunderlidhen Haufe, denkt er, follte der 
nicht jorgen für feine Hausgenoffen? Ihn dünket, diejer Kiebreiche 
Weltvater habe gleichflam ein lichtbares Bildnis feiner fonit 
unbegreiflidhen Freundlichkeit über die Wolfen jegen und 1un8 
durch das Aug’ des Himmels, ie Sonne, gnädig anäugeln 
wollen: wie dann auch, wann lich diefes güldne Angeficht von 
unS gewendet, Donner, Hagel und Kegen in defjen Plas tretten 
und anftatt der freundlichen Liebezblicke feindliche Wetterblibe auf 
uns daherichießen. Ja, diefe Sonne it ein rechtes Meifterftiück 
der göttlichen Wunderhand des Schöpfers, ein herrliches Gejdhöpfe, 
ein Werk, das feinen Meifter lobt! Sie ift das vornehmite und 
größte Blatt im Buche der Natur. Neben und um fich fiehet er 
den jHönen Saal der Erde. Sn Erwägung deffen unzählbarer 
Wunderhönheiten dünket ihm Dderjelbe ein itumme3z Buch zu 
jeyn, in welches der große Baumeijter der Welt viel taufend 
Sinnbilder feiner unbeldhreiblicdhen Weisheit und Almacht gemäl- 
weis entworfen. — SFezuweilen bricht er eine Blum’ oder ein 
Kräutlein ab und findet defto mehr Merkmale des aroßen Werk-
	        
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