Des Meisters Heimgang.
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Die Stadt Nürnberg wollte es nicht glauben, daß der
herrlichste ihrer Bürger nicht mehr sei.
Aller Augen waren naß von Thränen, und Wilibald Pirk—
heimer zumal, der schleunigst gerufen worden war, sank an
dem Totenlager des geliebten Mannes hin wie verwelkt und
zerbrochen, als wollte er ihm nach. Manchem der Seinen hatte
er ins Grab gesehen, aber solch ein Weh wie hier hatte ihm
noch nie das Herz zerfleischt. Er mochte nimmer von der hei—
ligen Stätte weichen, und in seinem Schmerz wühlte es noch
als ein besonderer Stachel, daß er in der letzten Stunde ab—
wesend sein mußte, daß er dem vergötterten Freund die Augen
nicht zudrücken durfte.
Er rang die Hände, er fiel an dem Sterbelager auf die
Kniee, er weinte wie ein Kind und jammerte: „O Traurigkeit,
o unsagbares Herzeleid — er ist dahin, für immer dahin, den
ich geliebt mit meinem ganzen Herzen und der diese meine Liebe
verdienet hat durch seine zahllosen Tugenden und durch seine
seltene Rechtschaffenheit, der wie ein guter Engel mir zur Seite
stand und mir den Weg wies, den ich wandeln sollte. Er ist
dahin, er ist dahin, mein Albrecht! O unerbittliche Fügung des
Schicksals, o unbarmherzige Härte des Todes! Ein solcher Mann
ist uns entrissen, der wie ein Heiliger unter uns gewandelt ist,
indes so viele unnütze und nichtsnutzige Menschen eines dauern—
den Glücks und eines langen Lebens genießen! Er ist dahin,
und ich bin noch hienieden!“ —
Die Sitte der Zeit erforderte es, die Toten schon am Tag
nach ihrem Absterben zu beerdigen, bei Dürer aber mußte das
Herkommen gebrochen werden. Am 6. April war er gestorben,
und am 8. lag er noch auf dem Paradebett, so stark war der
Zudrang der Menschen, die das, was von dem großen Meister
übrig war, noch einmal zu schauen begehrten.