.M 4. Festrede des Prof. DNN. Edm. Goetze 64 v
„der anderen Seite Aufllärung darüber bringen, wie Hans
Sachs an das Volkslied anknüpfte, aber nicht an das,
worin das äußerlich glänzende, innerlich arme Abenteuerleben
der Ritter vorgeführt wurde, sondern an das Volkslied, dessen
Stoffe den wirklich poetischen, au innerem Leben so reichen
Kreisen der unteren Klassen entnommen sind. Früher hörte
höchstens der Nürnberger auf die Erzählungen vom Schüttensam,
jetzt hörte das ganze Volk auf die Thaten der Landsknechte
gegen die Türken, die Hans Sachs verherrlichte; jetzt brachte
er die Sagen von Heinrich dem Löwen, vom treuen Ekckart,
vom Tannhäuser wieder auf die Bahn. Und in dem ersten
Entwurfe von vielen seiner Dichtungen, die er mehrmals be—
handelt hat, sehen wir, daß er wie das wortkarge Volkslied
Lücken und Sprünge läßt und es dem Hörer überläßt, sie mit
seiner Phantasie auszufüllen.
Interessante Ausblicke wird man gewiß auch gewinnen,
wenn die Kunstblätter herangezogen und verglichen werden,
die jetzt in den Sammlungen als kostbare Stücke der sogenaunten
kulturgeschichtlichen Abteilung liegen. Zu den Zeiten, da man
Hans Sachsens Dichtungen als öde Reimereien mißachtete, schnitt
man den Text weg, sodaß heute die Kenntnis des großen Haus
Sachsischen Stoffkreises dazu gehört, um Bild und Text wieder
zusammenzubringen. Da ist noch mancher Schatz zu heben, so⸗
biel auch schon gethan worden ist. Dann werden wir sehen, wie
Hans Sachs die Kunst und wie die Kunst ihn angeregt hat.
Überblicken wir dicse vielgestaltige Thätigkeit, so müssen
wir sagen: Hans Sachs hat nicht nur seinen Dichterberuf aufs
ernsteste und innerlichste erfaßt, er ist auch ein Erzieher seines
Volkes gewesen, wie es wohl ein Tagesschriftsteller im besten
und edelsten Sinne des Wortes sein soll, der sich nicht von
den wechselnden Launen und Ansichten der Menge leiten läßt,
sondern das Volk zu geläuterten Anschauungen emporzuheben
sucht. Was dem Volke ans Herz gewachsen ist, Leid und
Freud erzählt er wie der rheinische Hausfreund.“
— —
Z