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Der schwarze Mann.
Trotzdem hielt der gläubige Daumer es sogar vor Gericht „für
höchst unwahrscheinlich, daß der Mann wirklich gesprochen habe.“ Da
haben wir ein Charakteristikum aller Orthodoxieen vor uns: sie werfen
alles aus der Mirakelbude hinaus, was irgend einem „Apologeten“ nicht
zusagt, gebärden sich dabei aber zugleich als die „Stützen des Glau—
bens.“ Ein gläubiger „Dr. M.“ ergriff in Kafspars Interesse die
Feder und ließ folgendes drucken:
„Nur selten hat sich bis jetzt mehr als die Neugierde an ihn
herangemacht. Seit Jahren ist nicht leicht ein Fremder durch Nürn—
berg gereist, ohne sich K. H. anzusehen, und manche haben deshalb
einen Umweg über diese Stadt nicht gescheut . . . Sollte er aber
so wie ein Wundertier sich den Fremden zeigen und ihnen nur seine
Geschichte beständig erzählen, so hätte zuletzt, daß unter den bestän—
digen Verwunderungen und Bewunderungen, die er erfuhr, ihn der
Dämon der Eitelkeit leicht ergriffen, nur schwer verhütet werden
können.“ Der Mann ging also nicht zu Kaspar? Doch!
„Ich sah ihn (1830) zuerst mit seinen beiden Wächtern beim
Gottesdienst in der St. Sebaldskirche, den er sonntäglich und regel—
mäßig besucht, auf dem Chor in der Loge des Herrn v. Tucher, in
dessen Hause er jetzt lebt; ) ich unterhielt mich den Nachmittag länger
mit ihm, und er zeigte großen Ernst und große Ehrfurcht vor Gott,
dabei keine Finsterkeit oder Trübheit, sondern offenes, kindliches,
heiteres Wesen; als es dunkel werden wollte, wurde er erinnert, daß
seine Führer gekommen seien, und sogleich ging er mit ihnen fort,
nachdem er allen Frauen und Männern in der Gesellschaft freundlich
die Hand gegeben . ..
Noch jetzt, nach länger als zwei Jahren seines öffentlichen Er—
scheinens, ist, obgleich er das Aussehen eines festen, gedrungenen,
nur im Wuchs zurückgebliebenen Körperbaues hat, sein Nervensystem
so schwach und reizbar, daß er anhaltender Beschäftigung unfähig,
in seiner Diät vorsichtig, und wählend und durch das Geringste leicht
i Gottlieb Freiherr v. Tucher war im Tezember 1829 förmlich als Kaspars
Vormund verpflichtet worden, er selbst aber wurde damals dem Kaufmann Biber—
bach zur Pflege übergeben. Im Mai 1830 nahm ihn dann Tucher in seine eigene
Familie auf.