232 Gemeinnützige Anstalten, Armenwesen und Wohltätigkeit
sehr angefeindete Maßnahme sehr berechtigt war, umsomehr als das Kriegsernährungsamt
in unverantwortlicher Weise mit den Vorräten durch seine Zulagen wirtschaftete.
Das Schicksalder Brotmarke ist denkbar einfach. Der Brotverbraucher,
welcher die Brotmarke erhält, muß bei dem Bezug von Brot oder Mehl seine Marken
abliefern. Der Verkäufer von Brot oder Mehl muß die vereinnahmten Marken nach
bestimmten Anweisungen sammeln und bündeln. Die Marken werden alle 14 Tage bei den
von der Bäckerinnung aufgestellten 10 Bezirksleitern abgeliefert, dort von städt. Kraftwagen
abgeholt und in die Mehlvberteilungsstelle im Rathaus verbracht, wo sie gezählt, nachgeprüft
und dann vernichtet werden. Auf Grund der eingelieferten Marken wird dann das Mehl
den einzelnen Gewerbetreibenden zugeteilt.
Die durch die Beschlagnahme der Getreidevorräte und die Einführung der Brot—
marken herbeigeführte Abgeschlossenheit der Wirtschaftsgebiete war längere
Zeit hindurch nicht erträglich. Es wurden daher bald von der Stadt Nürnberg mit
umliegenden Kommunalverbänden Verträge abgeschlossen, in welchen die Gültigkeit der
gegenseitigen Brotmarken vereinbart wurde. Alle Amter zeigten das erforderliche Verständnis
für diese Frage, nur das Bezirksamt Nürnberg lehnte trotz wiederholten Ersuchens eine
gegenseitige Gültigkeitsvereinbaurung ab. Im Sommer 1915 führte das Königreich Bayern
Landesbrotmarken ein; im Oktober 1916 folgte das Reich nach langen vergeblichen Bemühungen
endlich mit der Einführung der Reichsreisebrotmarken.
Über die in Privathaushaltungen vorhandenen Mehlmengen gibt folgende Tabelle
nach dem Stand vom 25. II. 1915 Aufschluß.
Ohne
Mehl—
bestand
Bis 10 WMehl
einschließlich
Uber 10-20 *
Mehl einschließlich
Über 20—50 6
Mehl einschließlich
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Mehl
4
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20
1748601 386 728 1568,08 0904 1685,99141 10376 3390,081 2848 2584, 98
un
Die Vorräte über 50 P wurden enteignet; sie waren entweder in der Haber—
stumpfschen Kunstmühle abzuliefern oder nach und nach durch Abzug von Brotmarken ein—
zubringen. 77,41 Ztr. Mehl wurden tatsächlich abgeliefert, der Rest wurde nach und
nach angerechnet.
Beschaffung von Ware. 1. Infolge der Beschlagnahme hörte jeder freie Handel
auf; die Stadt übernahm die Versorgung der Bevölkerung mit Brot und Mehl in eigener
Regie. Einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Mehlverteilungsstelle wurde die
Aufgabe übertragen, die Bevölkerung Nürnbergs mit Getreide, Brot und Mehl zu versorgen.
Die Geschäftsverteilung der Mehlverteilungsstelle wurde folgende.
Vorstand: Oberbürgermeister Dr. Geßler; Referent und Stellvertreter des Vorstandes:
Rechtsrat Dr. Dr. Weiß; Hilfsarbeiter des Referenten und Leiter der
Betreide-, Mehl- und Futtermittelversorgungsstelle und der Lebensmittel—
kartenstelle II: Sekretär Reitzmann,
Buchhaltung, Rechnungsführung, Zuweisung von Mehl an die Bäcker,
Betreidezuweisung an die Mühlen, Erteilung von Mahlaufträgen, Abrechnung
nit den Mühlen, Ausstellung von Schrotscheinen und Mahlscheinen für
Selbstversorger, Ablieferung des Getreides der Landwirte, Saatgautverkehr,
Abteilung J:
Abteilung II:
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