Menschen nichts anderes, als ein Dolch in .der Hand eines
Kindes sei?“
Der gesuchte Zustand!) muss also ein solcher ausser dem
Staate, muss ein Stand der Natur sein, indem der Mensch auf
der niedersten Stufe der Existenz vernünftiger Wesen, in einem
Zustand der Kindheit erscheint, wo er keine andere Fähigkeit
besitzt, als zu empfinden, kein anderes Bedürfnis, als zu leben
und sein Geschlecht fortzupflanzen. Er ist ohne Bedürfnisse
und darum auch ohne Laster, Unschuld und Güte sind seine
Eigenschaften.
Aber dieser Mensch hat zu wenig Reize, als dass er uns
Vergnügen bereitete. Bei seinem Anblick können wir uns nicht
des Gedankens erwehren, lieber ein Mensch mit allen seinen
Mängeln, als ein solches Tier mit allen seinen Tugenden zu sein.
Er befriedigt das Herz, aber er beleidigt den Verstand, er hat
zu wenig Würde, als dass wir ihn achten, zu wenig Schönheit,
als dass wir ihn lieben könnten. Die Phantasie schmückt ihn
daher mit Eigenschaften, die dieses Bild der Unschuld ver-
schönern und mit den Anforderungen unseres Verstandes in
Uebereinstimmung zu bringen suchen. — Und so schafft sie
jenen idealen Stand der Unschuld, zu dem sich schwerlich je
ein entsprechendes Original wird finden lassen. Dieser Stand
der Natur gewährt uns Vergnügen, indem wir die Menschheit
in: ihrer zwangslosen Einfalt, in ihrer unschuldigen Güte und
unbefleckten Reinheit erblicken. Er gewährt uns Schmerz, in-
dem wir dem Menschen der Kultur den Naturmenschen gegen-
überstellen und unsere eigene Entartung und Verderbtheit (die
an und für sich schon eine ergiebige Quelle des Missvergnügens
ist) durch den Ansatz, den sie mit diesem Ebenbilde Gottes
macht, sich in noch grösserer Klarheit unserer Seele, vor Augen
stellt. Aus beiden entspringt das Gefühl der Wehmut, die
unsere Kräfte in ein empfindliches Ermatten versenkt und sich
im Spiele die Sehnsucht nach jenen seligen für uns nicht mehr
vorhandenen Zeiten auflöst.
Auf Grund dieser Betrachtungen äussert sich nun Feuer
I). Meissners „Apollo“ über den Stand der Natur, Hier gibt Feuerbach
ein Bild des Naturstandes, .das dem in Rousseau’s „Discours sur l’in&galite&“
und seinem „Emile“ ähnelt.