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manität, für die er zu wirken sich berufen fühlt und so schwankt
er, als er Stuttgarts Thore und Wachen hinter sich hat, nur
noch einen Augenblick — im Gedanken an seine, arme Mutter, die
doch so gerne schonen möchte: doch die Flucht wird ausgeführt
und die Dornenbahn eines Predigers für Menschenwürde und
Bürgerwohl betreten. Der Gefahr heimathlicher Despotie noch
kaum entgangen, wagt er es, in „Cabale und Liebe“ das Trei—
ben eines Nachbarhofes zermalmend anzufassen und dessen Nichts—
wuͤrdigkeit und Seelenverkäuferei an den Pranger zu stellen;
noch von Versteck zu Versteck wandernd, ist er kaum in Bauer—
bach angekommen, als er, mit feuriger Seele suchend, die Ty—
rannei in größeren Erscheinungen erfaßt, dem spanischen Philipp
einen freiheitliebenden Sohn und das freie Volk der Nieder—
länder entgegenstellt und im Marquis Posa das Princip der
Humanität leibhaftige Gestalt annehmen läßt; — und also weiter
und weiter treibt ihn sein Geist und sein Loos und immer straf—
fer spannt er die Saiten seiner Lyra: Menschenwohl und Ge—
setz, Gedankenfreiheit und Humanität, Aufklärung und Vered—
lung aller menschlichen Verhältnisse besingend; wo ihm ein Stoff
nur immer eine Handhabe bietet, um ein Recht zu schützen, ein
Unrecht zu sühnen, eine Tapferkeit zu preisen und eine Tugend
auf den Schild zu heben — in Liedern und Balladen, in ge—
lehrten Aufsätzen und in Dramen verfolgt er dieselben Zwecke und
nicht blos den Armen vor dem Reichen, den Schwachen vor
dem Mächtigen sucht er in seinem Rechte zu schützen — er ver—
theidigt auch den Fürsten gegen Gewaltmißbrauch der Menge,
in „Maria Stuart“ eine Königin gegen ihre königliche Schwe—
ster — ja, wo es ihm zu thun ist, ein großes, nachahmungswür—
diges Beispiel aufzustellen, da macht er von seinem Poeten—
rechte Gebrauch und verändert für seine Zwecke die That—
sachen der Geschichte: er verwandelt einen Wüstling „Don