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Darauf entwirft der Dichter ein Bild ihrer hervorragenden
geistigen und sittlichen Eigenschaften:
„Ich schweig der hoch geistlichen Gab,
Die ir Gott aus Genaden gab.
Von ehrlichen Eltern geborn,
Von den sie ist erzogen worn,
Mit treuer Lehr ist heimgesucht
Auf Keuschheit, Scham, ehrlicher Zucht
Mit guter Geberd, Sitten und Tugend,
Die sie anfieng in irer Jugend,
Gehorsam in Einmütigkeit,
Gantz stil und mit Verschwigenheit.
Mit standhaft und erbarn Gemüt,
Mit Demut, steter Treu und Güt.
Mit Bescheidenheit an allem Ort,
Glimpflicher holdseliger Wort,
Mit Emsigkeit, Verstand und Fleiß,
Wol bsunnen, fürsichtiger Weis,
Fein ordentlich in dem Haushalten
Das sie arbeitsam thut verwalten
Gutwillig on als Verdriesen.
Auch werden mütterlich unterwisen
Ire Kinder auf Zucht und Ehr
Und aller christenlicher Lehr.
Derhalb ich nit allein ir Schön
Mit meinem Lobgedicht bekrön,
Sonder vil höher ir Sitten und Tugend,
Die all erbaren Frauen trugend
Groß Lob und Rhum bey allen Weisen,
So die theten loben und preisen.
hohe Lied der Liebe läßt der Dichter in den Versen
Das
austönen:
Wenn Boccatius lin] seiner Jugend
Auch het gewist ir Sitten und Tugend,
So het er sie gestellt auf Trauen
Zu den hundert durchleuchtigen Frauen!sy
186) Bocaccios Buch „die 9 durchleuchting frauen“ hatte Hans Sachs in
seiner Bibliothek. Vgl. Karl Goedeke, die Büchersammlung des Hans Sachs, in