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Sonst verlautet weder etwas über ihre Familie, noch über ihre
früheren oder späteren Schicksale; und doch verdiente Barbara, die
dem alternden und ermüdenden Dichter neuen Lebensmut gab und
ihn zu neuem Schaffen anregte, eine größere Berücksichtigung in der
Biographie des „teutschen Poeten“ Hans Sachs.
Wir wollen nun versuchen, nach bisher für eine Hans Sachs
Biographie noch nicht oder nicht hinreichend benutzten Quellen das
zu geben, was über Barbara Harscher neues Licht verbreitet.
Es hat uicht au Vorwürfen gegen den Dichter gefehlt, der
als fast siebenundsechzigjiähriger Greis und nach tiefster Trauer über
den Verlnst seiner ersten Gattin sich durch die Ehe mit der „sieb—
zehnjährigen“ Barbara Harscher „tröstete.“ Nach der Schilderung,
die Hans Sachs mit der Überschwenglichkeit und Beseligung eines
liebenden Jünglings in dem Gedicht „Das künstlich Frauenlob“ von
ihren leiblichen Vorzügen gibt!s), mußte man sich freilich versucht
fühlen, sie für noch recht jugendlich, sie für eine schöne und zarte
Jungfrau zu halten. Er beschreibt in dem Gedicht, das ein Jahr
nach seiner Hochzeit mit Barbara verfaßt ist, in nahezu erschöpfender,
man möchte fast sagen, indiskreter Weise ihre körperlichen Reize:
„Erstlich wil ich ir Schön erzeln,
Die ir Gott leiblich zu thet stelln
Durch alle Glieder so zart und weiblich,
Das es von mir ist gar unschreiblich.
Jedoch ich geben will an Tag
Von irer Schön, so vil ich mag:
Holdselig ist sie personirt,
Von Leib gantz engelisch formirt,
Sie ist holdseliger Geber
Und tritt fein aufrichtig daher
Mit eim freundlichen Angesicht,
Fröhlicher Gstalt und fein röslicht
Ir Stiren glat wie Marmelstein,
Sinwel!sah, nit zu groß, noch zu kleif—
x) Das Gedicht ist „anno salutis MIn.XII am 4 tag septemhbris“‘ verfaßt
Tübing. Ausg. XX, 518: Kemptner Ausgabe V, 2, 246; Nürnberger Aus
Jabe V, 2, 330
wah Sinwel bedeutet rund. — Der runde Vestnerturm auf der Burg zu
Rürnberg wird auch Sinwelturm genannt.