Volltext: Fünfzig Jahre Mitgliedschaft Nürnberg im Verband der Deutschen Buchdrucker

diente; während man aber diese Mißbräuche nur hätte ausscheiden dürfen, um 
dann das verbleibende Gute desto segenbringender fortwirken zu lassen, glaubte 
man besser zu tun, gleich das ganze Institut zu vernichten. Das Postulat fiel und 
mit ihm auch alle und jede Schranke gegen Wilikür und Bedrückung des Einzelnen, 
denn an seine Stelle hatte man nichts zu setzen gewußt, was irgend die Regelung 
der inneren Angelegenheiten möglich gemacht hätte. Wie durch einen durch— 
brechenden Damm stürzte auf sämtliche Glieder der Buchdruckerkunst die Slut 
aller jener Uebel, welche wir bis zur Stunde in steigendem Naße so schmerzlich 
zu beklagen haben und endlich den Votschrei der Gehilfen durch ganz Deutschland 
hervorriefen. Eine ins Unglaubliche gehende Konkurrenz, hervorgerufen und ge— 
nährt durch engherzigen Egoismus, durch Unverstand und tollste Schlauderei 
zwang zuletzt Jjelbst besser dentsende Prinzipale, auf ein Preisminimum gegen das 
Publikum sowohl, als auch gegen die Gehilfen herabzusteigen, bis der Geschäfts— 
betrieb des kostspieligsten aller Gewerbe selbst unter jenen der geringsten gesunken 
var. Der Gehilfe unter der Aegide des Postulates vor Vahrungssorgen ge— 
wahrt, ward nach und nach so weit zurückgestoßen in seinem Verdienste, daß er 
oft nicht seinen Hunger stillen und seine Blöße bedecken konnte. Und um das 
Maß voll und der Unglücklichen recht viele zu machen, trieb man, ich möchte fast 
sagen förmlichen Menschenhandel, denn so nur kann das ungebührliche Annehmen 
einer unbeschränkten Masse von Lehrlingen bezeichnet werden, wie es jetzt au 
bielen Orten Deutschlands der Fall ist. Ja es gibt selbst Druckereien, wie in 
Grimma, wo 4o Lehrlinge und ein Faktor jahraus, jahrein beschäftigt sind, die ein 
so bedeutendes Kontingent von Wandernden liefern, daß an ihre Unterbringung 
unter den günstigsten Umständen nicht zu denken ist und nur der kleinere Teil 
sogenannten Bücherfabrikanten in die Hände fällt, die sie um wahren Spott aus— 
zubeuten suchen, um die endlosen Produkte geist- und kenntnisloser Bücher— 
schmierer in die Welt zu schleudern und durch imposante Ausposaunung gehalt— 
losen Zeuges den deutschen Buchhandel mehr und mehr kreditlos zu machen und 
diesen auch ohne Einwirkung anderer obwaltender Umstände seinem Verfalle näher 
zu bringen. Von der Lehre entlassen, waren diese Unglücklichen oft weniger als 
Caglöhner und doch machten sie nur wieder neuen Unglücklichen Platz. Hunderte 
dieser bedeckten die Landstraßen, ihren Kollegen, die oft kaum das Vötigste zur 
Bestreitung ihrer auf das kleinste Minimum zurückgeführten Bedürfnisse aufzu— 
reiben vermochten, auf die empfindlichste Weise durch Abforderung des bisher 
äüblichen und nicht herabgesetzten Viatikums zur Last fallend. Was Wunder, wenn 
man nun den durch Kenntnis und Tüchtigkeit hervorragenden Mitgliedern bei 
der geringsten Veranlassung den Stuhl vor die Türe setzte, was Wunder, wenn 
die Selbstmorde sich in unerhörter Weise häuften? Das Geschäft des Buch— 
druckers bringt es mit sich, daß er mehr Kenntnisse und überhaupt mehr geistige 
Ausbildung besitzen muß, als irgend ein anderer Handwerker oder Fabrikarbeiter. 
Aber indeß er durch seinen tieferen Blick in das Leben sich den gebildeten Ständen 
anreiht, sieht er sich durch seine oft unwürdige Lage unter die Hefe des Prole— 
tariats versetzt, denn während man an seine öIntelligenz die größten Ansprüche 
macht, und erst eine Reihe von Jahren den frisch Ausgelernten zu einem tüchtigen 
Mitgliede heranbildet und während dabei seine Hand in der gewöhnlich sehr 
langen, 12stündigen Arbeitszeit keinen Augenblick ruhen darf, wenn er etwas ver— 
dienen will, wird er in der Vegel bezahlt und behandelt wie ein Handlanger, von 
velchem gar keine Kenntnisse verlangt werden und der lich überhaupt so an— 
dauernd nicht anstrengt. Der Buchdrucker hat keine Zukunft wie jeder andere 
Sewerbetreibende, der, wenn auch noch so arm, doch endlich sein eigener Herr 
vird. Wenn der Buchdrucker 20—30 Jahre gearbeitet hat. ohne einen anderen 
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