Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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ihren Anruf hielten. Wir waren ungefähr 250 Soritte hinter der Kolonne, 
deren Zührer jich legithnirte, zurücgeblieben und e& wäre wahrlidh nicht fchwer 
gemwefen, zu erkennen, daß wir auch noch dazu gehörten. Bei der erjten Wache 
wurden wir nad) Waffen vifitirt und der betreffende Offizier wollte meinen 
Sübel Konfisziven. Id bedeutete ihın, daß ein Offizier ohne CSäbel mir gar 
nicht denkbar jei und daß muir Derfelbe nicht genommen werden könne. Barich 
zrwiderte er, daß er diel zu thum hätte, wenn er fi auch noch um deutfche 
Auszeichnungen Fımmern Jollte, Sch zeigte ihın den Unterfchied, aber der war 
nicht bedeutend genug, wie cS fchien, Allerdings Hatten wir Feine goldgeftickten 
Räppi’s, CSchärpen 20., die cher maßgebend gewejen mären. Yun holte ich 
einen Brief aus der Tafche, ein anderer fein Patent, wir zeigten die betref: 
jende Chargenbezeicdhnung, und alS er darauf gar nichts fagte, hießen wir den 
Rutfcher mweiterfahren. 
In Wouillon abermals Bijitation nah Waffen. Zwei Stunden ließ man 
uns im Kafernhof {tehen, dann hieß e8, die Offiziere Fämen aufs Schloß. 
Bon Theilmahne der Bevölkerung konnte ich Feine Spur entdecken, wohl aber 
fraternijirten die belgiihen Soldaten mit den franzöftihen, von weldh lekteren 
ich einige mit Seitengewehr hHerumlaufen jah. Hätten nur fie mit eingreifen 
dürfen, meinte einer der erfteren, dam itünbde c8 anders, fagte der Wort: 
ihrer einer nahejtehenden Oruppe, mit Pathos; aber wirklich, wenn man die 
hier lKegenden Garnijonsfjoldaten anjah, fo fühlte man, wenig gefagt, aufrich: 
tiges Bedauern. Leute von Höchitens 17 Jahren bildeten weitaus den größten 
Theil, Bärte gehörten zu den MKaritäten. 
Ilio jebt aufs Schloß. Wir rumpelten den Holpridhten Weg zum Schloß 
Yinauf, wurden hier abgeladen und in eine Kajematte gebracht, in der wir 
(21 Difiziere) wie die Häringe beifammen (agen. Beleuchtung war durd 
eine Unichlittferze hergeftellt, Die gereichte Nahrung beftund in einer Tale 
Reis und ditto Maffee. Von VBequemlichkeiten war Feine Spur vorhanden, 
Mn andern Morgen fuhren wir im IKegen ab. Die Wägen waren un: 
bedeckt und wir lagen daher bald im Argen. Zum größten Mipgefchick dudelte 
uns noch eine Militäruujnk die Ohren voll mit Melodien, die Steine weid) 
und Menjchen rafend machen Fonnte. 
Auf der Eifenbahuitation Libramont zur Abwechslung BVijitation nach 
Waffen und zwar durch emen Unteroffizier, den wir erklärten, daß er wohl 
nicht befugt fet, jeine Waffenhucherei bei Difizieren vorzunehmen und daß wir 
den fommandirenden Offizier bäten, fih her zu bemühen. Cr ging dahin — 
und famnı nicht mehr, 
Cinwohner hielten 1un8 die föltlichften Sachen vor die Nafe; da wir aber 
fein oder wenig franzöjifidhes Geld Hatten, jo blich e8 beim Anfehen der Herr: 
lichfeit, denn deutidhes Geld wurde nicht angenommen. 
Auf allen Stationen nicht die geringite Sympathie; dagegen wurde nach 
verwunDdeten Zranzojen gefragt, um Diefelben regaliren zu Fönnen. 
Cine Ausnahme machte Lüttid und wahrlich, mas hier geboten wurde, 
fonnte nit mehr überboten werden; zwar foll ein deutidhes Comite hier die 
Sache arrangirt Haben, aber mit gleicher Hreundlkıchkeit ging auch ein Mili: 
‘ärarzt von Waggon zu Waggon und legte unermüdlich neue Verbände an, 
wo folde nothwendig. 
Segen Morgen Fam id im elendeften Zuftand (ii Ffonnte uur noch 
‘nieen) nad Hachen und, Dank der Kebevollen Hürjorge, der forgfältigiten auf: 
opfernditen Pflege der dortigen Vereine neigten fid meine Wunden bald zur 
Deilung und damit Hatten alle Schmerzen ein 
nn de.
	        
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