Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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gemacht und unjern Kronprinzen gefangen habe; über diefen „Sieg“ hat be: 
FanutlidH Paris geflaggt und die andern Stähte ihrer heiligen Schwefter ge: 
treulich nacdhgemummenthanzt, 
Wenn man einmal figt, refpekftive tüchtig lügt, [fo kommt eS auf etwas 
mehr oder weniger MündhHaufeniade nicht mehr an, und id munderte mid 
nur, Daß Mainz, Köhr und Koblenz ih nidhHt au fHon in feindlichen Händen 
befanden. Der Hausherr verfiherte mid, daß er vor drei Tagen noch feit von 
ber Wahrheit des Siegs überzeugt war. 
„Uber Haben Sie denn die Nachricht über die Schlachten bei Weißenburg 
und Wörth nicht erhalten?“ 
„Ka, wo Sie immer in der Nebermacdht waren, wo wir nur acht Ge[hüße 
zur Verfügung Hatten.“ 
„Kawohl, — nach der Schlacht —, ift möglih; bon jour, monsieur.“ 
Mit der Dummheit Kämpfen Götter felbjt vergebens, und von ber 
Sifloire zur Dunumheit ift nur Sin Schritt, von dem Glauben an Unbefieg- 
barkeit zur Niederlage Bagegen führt bei den Franzojen gar kein Weg. 
Der Reft des Tage war volljtändig der Ruhe geweiht, denn wir wuß- 
ten nicht, ob am nächiten Tage nicht wieder die Devifje lauten wird: 
5 Du Deutfchland, iH muß marfdhiren, 
D Du Deutihland, Du machft mir Muth. 
Meinen Stiefel mill ih) fhmieren, 
Daß er nicht zerreißen thut. 
21. Auguft. 
Rafttag! Schönes Wort für eine ermübete Seele! Heute, Sonne, fannit 
du darauf 10S fcheinen nad Herzenskuft, wir bleiben im Schatten kühler Denk- 
ungsart, ganz unberührt von Baro: und Chermometerftand. 
Die Kunde hievon verbreitete fiH mit MRiefenjHnelle und die Mahnung, 
den Tag zu nothmendigen Meparaturen zu verwenden, wurde genau befolgt. 
Zunächft mar ein tüchtige8 Ausklopfen der Kleider angezeigt, denn der 
immermährende Staub machte Miene, das Blau vollftändig in Grau umzus 
wandeln und in den Mänteln hing noch der ShHmuß von Lemberg und Mont- 
bronn, der nun jedoch volljtändig den Pla räumen mußte, 
Unter den gewiß fhönen franzöfifgen Kommunaleinridhtungen verdienen 
die felbft in den Feinften Dörfern vorhandenen Wafchhäufer bemerkt zu wer: 
den. Auch diefe waren Heute ausfchließlidH von Soldaten benüßt, die unter 
den, mie es fcheint, zum Wafchen gehörigen SGemäiche darauf 108 arbeiteten. 
Hinter den Häufern wurde gekocht; in den Gärten, an Zäunen und auf 
Bäumen die Wäilcdhe getrocknet ; die Gärten boten jedoch zugleich auch die Lo: 
Falitäten für gefellidhaftlidhe Unterhaltung, als da mar Martenipielen und Vläne 
machen. Während wir nämlidH nodh in der Pfalz Iagen, Fauften fidh viele 
Soldaten von den anmefenden Kolporteuren Karten von Frankreid. Bei län: 
gerent Naften‘ und an Rafttagen wurden diejelben aus dem Tornifter hervor: 
geholt, der Kuhaber rief feine ganze Fremmdfhaft zufammen und nun wurde 
„ein Plan“ gemacht, wobei mit Fingerfpannen und ähnliden Meßutenfilien 
feitgeftellt murde, wie lange mir noch nad) Paris brauchen würden. 
Die Schneider und Schufter, fiH mit ftillerem Ruhme begnügend, arbei: 
teten in den Häufern mit größter Emfigkeit. Hauptfächligh hatten leßtere ein 
großes Feld der Thätigkeit, denn auch das Schuhwerk gab durdy den immer 
größer werdenden Abftand der Sohlen vom Sanzen laut fein Erftaunen über 
die aroßen Märfche kund. In St. Aubin wurde zunächft Schuhmaderwerk-
	        
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