Volltext: Mein Kriegs-Tagebuch vom 29. Juli bis 1. September 1870

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ber, mie nun Etwas auftreiben. Um Geld kaufen, wäre fhon recht; 
aber die Konkurrenz bei den wenigen Verkäufern war fo groß, daß, wenn man 
nicht zufällig einet der erften am Plage mar, man bei geleertem Haufe an- 
sam. Mit Gewalt mar noch weniger zu erlangen und überdies Dieje Manier 
von Requifition verboten. 
Doch Hört mit diefen beiden Punkten die Menfchenweisheit Feineswegs 
auf, und einer alten irgend einmal gehörten oder gelefenen Anekdote verdankte 
ih, daß fig mein murrender Magen nicht bis zum Ubkodhen der Menage ge: 
dulden mußte. 
Mit einer Büchfe Feilhertrakt bewaffnet, ging ih in ein nicht weit ent: 
jernt gelegenes Dorf, in meldem jihH die meilten Einwohner ledigliH durch 
ihre Nidhtanwefenheit bemerkbar machten, 
In einem noch bevölferten Haufe nahın i&$ Stellung, d. h..feßte mid 
auf einen Stuhl und bat die Hausirau um etwas marmes Waller, wobei ich 
ängitlid) bedacht war, Hinter . jedem Sagabjdhnitt ein „s’il vous plait“ einzu: 
ihalten. Während die Hausfrau mit Erfüllung meiner gewiß beidheidenen 
Bitte befhäftigt war, unterhielt id) mid) mit dem Herrn Chegemahl über alles 
Mögliche, nur nidht vom Krieg. 
Das Waffler kam, ih goß e8 in den FeldbechHer und praktizirte nad der 
gedructen Oratis-Beilage des Fleilhertrakt-Topies ein fuppenähnlidhes Se: 
bräue. 
Die Gefidhter des Chepaare8s waren das Bild der Höchiten Bewunderung, 
al8 id nodj etwas Zmwiebadkfrume einbrodte und das EClaborat Heraus: 
{öffelte. 
„Aber, Monsieur, das kann doch gewiß nit gut fHmecken.“ 
„Freilid Fann von gut feine Rede fein, denn e8 fehlt noch fo mandhe 
Zuthat“. Dabei griff ih nad der Gebraudhsanweifung und Ias von Eiern 
und allerlei Lederbifjen. 
„Wollen Sie nicht felbit verfuchen, e& fjHmeckt nicht gut und nicht {Hlecht, 
aber mit €i — parbleu, cela serait a mon goüt.“ 
Endlich Fam die Alte, die fiH in mir den Barbaren abjolut nicht denken 
fonnte, mit einem Ei Herausgerückt, das zweite mar [Hon leichter zu erlangen. 
Yhr menfdhlihes Rühren benügßend und ausnüßend, Hatte id beim Weggange 
alle Tafden voll, zahlte mit Freuden das Doppelte, was verlangt murde, 
ging mit vergnügtem Iunern wieder zurüc, verjhmähte die Menage und legte 
mid) —- er[dhöpft von den Anftrengungen der vergangenen Nacht, —- auf mein 
Stroh, überfhaute mein blühend Glück, d. hH. das, was ich mitgebracht, 
und dachte 
Ci, wie ift das Leben Ihön 
Man muß e8 nur verftehn. 
14. Anauit. 
Dank dem gütigen Mikgefdhik, das mich in vergangener Nacht nicht zur 
Ruhe kommen ließ, IHlief ih in der Nacht ganz wunderbar gut und mit neuen 
Kräften konnte id den Heutigen Marfchitrapazen ruhig entgegenjehen. 
8 ift mirkligH munderbar, was der Menfd) aushalten und leijten kann, 
wenn er muß oder von dem Gedanken durchdrungen ift, fein ganzes Ih dem 
großen Ganzen zur Berfügung zu ftellen. Würde man in Hriedenszeiten die: 
jelben Strecken unter derfelben Verpflegung zurüclegen wollen, {o dürfte die 
Zahl derjenigen, die an’8 Ziel gelangen, vom anfängliden Stande bedeutend 
abweichen. Aber hier, im Betwußtiein Feinen Schritt umfonft zu thun, befeelt
	        
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