Arnb. I80
Das Wappen der Meistersänger,
Von
Edmund Goetze.
In einer grossen Anzahl von Meisterliedern wird von der
Entstehung des Meistergesanges, von dem Prüfsingen der ersten
Zwölf vor Kaiser Otto -dem Grossen in Pavia und von den
(jeschenken desselben erzählt, die späteren Geschlechtern noch
zeigen sollten, welche Gnade die edle Sangeskunst selbst bei
dem Oberhaupte der Welt gefunden hatte. Immer wieder kam
man mit Vorliebe auf die ruhmvolle Bethätigung der ältesten
Meister und ihre glänzende Auszeichnung zurück; und Adam
Puschman erzählt noch 1596 in seinem „Gründlichen Be-
richt der deutschen Reimen“, ohne ein Wort des Zweifels bei-
zufügen, die alte Geschichte. Nur ist im Unterschiede zu
seiner ersten Auflage aus Otto dem I. der IV. ‚geworden. In-
nere und äussere Unwahrscheinlichkeiten, auf die schon längst,
zuerst von Cyriacus Spangenberg *, aufmerksam gemacht wor-
den ist, verweisen alle diese Erzählungen, so gläubig sie auch
in gereimten Darstellungen von den Meistersängern nach-
gebetet wurden, in das Gebiet der. Sage. Johann Christoph
Wagenseils schwülstiges Buch von der Meister-Singer hold-
seligen Kunst, welches leider immer noch als Hauptquelle für
unsere Kenntniss des Meistergesanges betrachtet wird**, schliesst
* Cyr. Spangenberg, von der Musica vnd den Meistersängern hrıg.
v. Ad. v. Keller 1861 S. 119: „Aber solche lieder haben olıne Zweiffel
guette Einfälttige Leutt gemacht, die darvon keinen gründtlichen Be-
richt eingenummen.“ An diese allgemeine Bemerkung schliessen sich
dann die einzelnen Beweise.
** Goedeke sagt in seiner Einleitung zu den Dichtungen von Hans
Sachs, Leipzig 1870, S. IX mit vollem Rechte: „Auf Wagenseil beruht
die falsche Vorstellung von der Meistersängerkunst, die gegenwärtig
noch in den Litteraturgeschichten spukt.“
ARCHIV f, LITT.-GESCH. VS FA 7A
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