Volltext: Albrecht Dürer

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Welt. Er zeichnet cine mächtige Frauengestalt, in deren ganzem 
Wesen sich das kräftige Streben nach dem Grossen und Erhabenen 
kundgiebt. Er hat aber doch auch die Überzeugung, dass das 
geistige Ringen den Frieden der Seele versehrt, die Ruhe des Lebens 
gefährdet, tiefe Schwermut im Gefolge hat. Die Harmonie des 
Denkens und Handelns erscheint gestört, in ihren Gegensatz ver- 
wandelt. Die Mittel, diesem inneren Zwiespalt einen künstlerischen 
Ausdruck zu leihen, bietet ihm ebenfalls die Beleuchtung, das Spiel 
von Licht und Schatten. Nicht die, freundliche Sonne, sondern 
ein unheimlicher Komet erhellt den Raum, mühsam das Dunkel 
teilend, trübseligen Schein verbreitend. So wird das Dämonische 
des Vorganges, die Schilderung der Nachtseiten des geistigen Lebens 
wirksam eingeleitet. 
Als Künstlerträume , als Schöpfungen seiner subjektiven Phan- 
tasie entfalten sich die grossen Stiche aus den Jahren 1513 und 
1514, mögen sie auch zunächst von der Zeitströmung ihm nahe 
gebracht worden sein. Noch in einem anderen grösseren Werke 
bricht sich der träumerische Zug Bahn. Nicht als ob er die schweren 
Empfindungen, die tiefernsten Gedanken, welche die Stiche offen- 
baren, in der neuen Schöpfung weitergeführt hätte. Er lockt uns 
vielmehr in eine helle, fröhliche Welt, lässt einen leichten Humor 
walten. Darin herrscht aber doch cine vollkommene Übereinstim- 
mung, dass auch hier nicht allein die Formengebung, sondern auch 
vielfach die Erfindung der Bilder auf seine individuelle Phantasie 
zurückgeht. Gemeint sind die Randzeichnungen zum Gebetbuche 
Kaiser Maximilians. 
Seit 1512, als sich der Kaiser in Nürnberg aufhielt, trat Düreı 
zu ihm in nähere Beziehungen und wurde zur Ausführung der 
mannigfachen kaiserlichen Kunstpläne mit herangezogen. Der Kaiser 
Max stand zwar als Kunstgönner auf dem Boden der Renaissance. 
In der Weise der italienischen Fürsten konnte er.aber die Kunst 
nicht pflegen. Das verhinderte ausser äusseren Umständen seine 
deutsche Natur. Mit richtigem Sinne erkannte er das nationale 
Element im Holzschnitt und liess seine Renaissancegedanken in 
dieser Kunstgattung ausführen, wobei er denn freilich den intimen 
Charakter des Holzschnittes, seine geringe Brauchbarkeit für pomp- 
hafte höfische Zwecke übersah. Ein ‘solcher Renaissancegedanke, 
von der Ruhmessechnsucht eingegeben, war die Darstellung eines 
Triumphes, in welchem seine Person, sein Geschlecht und das idcale 
Fürstentum gleichmässig verherrlicht werden sollte. Mit Hilfe
	        
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