Soziale Fürsorge
In der Erwägung, daß unsere Vorratsanhäufung den Umfang, den sie erreichte, nicht
gewonnen hätte, wenn nicht andauernd von maßgebenden Stellen im Reich und Land ein
kräftiger Ansporn zur Versorgung gegeben worden wäre, und in der Erwägung, daß deswegen
jene Stellen eine gewisse VBerantwortung für die aus der Vorsorge erwachsenen Verluste trugen,
wandten wir uns an verschiedene Behörden, um wenigstens zum Teil einen Ersatz für die ge—
brachten Opfer zu erlangen. Es waren aber alle Bemühungen umsonst. Während in manchen
Städten Lebensmittelunruhen hervorgerufen und auch in Nürnberg befürchtet wurden, begann
die Bevölkerung im Gebrauch der Nahrungsmittel wählerischer zu werden, so daß manches Er—
zeugnis, der Küche zugedacht, im Stalle seine Verwendung fand, natürlich nicht ohne eine ge—
wisse Preisherabsetzung. Es mag dahingestellt bleiben, ob das Nachlassen der Einkaufsfreudig⸗
keit, wofür rasch das Schlagwort „Käuferstreik“ auftauchte, mehr in parteipolitischen Einflüssen
oder mehr in verringerter Kaufkraft wurzelte. Jedenfalls ist der Schluß begründet, daß der
immer mehr von der Zwangswirtschaft befreite und der ihr entschlüpfende Handel im Berein
mit der kaum mehr ausrottbaren Hamsterei die Haushaltungen mit bevorzugten Lebensmitteln
reichlich genug versah, um der Mißachtung der durch gemeindliche Vorsorge herbeigeschafften
Waren Raum zu geben. So konnte es auch nicht ausbleiben, daß die Ration ierung sich
lockerte und für einzelne Erzeugnisse auch entbehrlich wurde, womit der Volksernährungsgesell⸗
schaft, deren wichtigste Aufgabe zuletzt ja die Lebensmittel verteilung geworden war,
das Arbeitsgebiet beschnitten wurde.
Wenn einmal Kommunalisie rungsgelüste den Gedanken nahegelegt
haben mochten, unser Unternehmen zum Kernpunkt einer dauernden Einrichtung städtischer
Lebensmittelversorgung zu machen, so ist dieser Gedanke doch nicht verwirklicht worden.
In der Erkenntnis, daß die Rückkehr des Warengeschäftes in die naturgemäßen Bahnen
geordneter Zustände und in die herkömmlichen Berufskreise nur eine Frage der Zeit sein könne,
lag für unsere Gesellschaft das Gebot zur allmählichen Auflösung, dem ein zwischen Ge—
samtaufwand und Warenumsschlag sich heranbildendes Mißverhältnis noch besonderen Nach—
druck verlieh. Die ordnungsmäßige Preisspannung bei den rationierten Waren stand nicht mehr
im Einklang mit den fortgesetzt wachsenden Auslagen für Versicherungen, Frachten, Post- und
Telefongebühren, für Gehälter, Löhne und Geschäftsbedürfnisse jeder Art. Dazu kam noch,
daß der Geschäftsführung in dem Hervorkehren wirtschaftlicher Gesichtspunkte nicht nur durch
Gesetze und Verordnungen, sondern auch durch technische Hemmungen und nicht zuletzt durch
gewolltes Entgegenkommen gegen die Verbraucher Grenzen gesteckt sind.
Nach Beendigung der umfangreichen Warenhereinnahme in den ersten Monaten des
Jahres wurde von Erwerbungen auf dem offenen Markte Abstand genommen, und auch die
neben den schlüsselmäßigen Zuweisungen laufenden Anerbietungen der Bayerischen Lebens—
mittelstelle wurden nur in dem Maße benützt, als, wir vom Handel Bestellungen erhielten.
Die Ausgabe der rationierten Waren an die Berbraucher
geschah im allgemeinen auf dem gleichen Wege wie in den vorausgegangenen Jdahren. Ab⸗
weichungen fanden statt, wo sich der Markenzwang als unnötig erwies, z. B. bei den Graupen—
erzeugnissen, und wo sich herausstellte, daß die den Kleinhandelsgeschäften nach den Kundenlisten
gelieferten Mengen von den Bezugsberechtigten nicht mehr erschöpfend abgeholt wurden, was
bei Hülsenfrüchten und Mühlenfabrikaten der Fall war.
Um dem bald schwächer, bald stärker laut werdenden Ruf nach Preis abbau auch
unsererseits Rechnung zu tragen, entschlossen wir uns, nicht nur selbst die Preise für einen Teil
unserer Waren herabzusetzen, sondern auch den Handel für die gleiche Maßnahme zu gewinnen.
Es wurden im Juli von uns selbst im städtischen Berkauf und von den hiesigen Geschäften in
den Läden auf Grund unserer Lieferungen folgende Waren zu den beigesetzten Preisen abge—
geben: gelbe Erbsen früher 4 — M, nun zu 1,20 M das Pfund, Erbsmehl früher 5,— AM,