Soziale Fürsorge
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Milchbeförderung und Kannenmaterial. Die geordnete Milchversorgung hatte unter
den ungünstigen Verkehrsverhältnissen schwer zu leiden. Sehr oft wurden die Fahrzeiten der
eingelegten Milchkurswagen geändert; an einzelnen Tagen trat auf verschiedenen Strecken
überhaupt ein Ausfall der Züge ein und außerdem mußte häufig mit verspätetem Eintreffen
der Züge gerechnet werden. Trotz dieser mißlichen Verhältnisse konnte durch die geschaffenen
Einrichtungen dem gesamten Handel die Milch stets zu der bestimmten Zeit verabreicht werden.
Die Ausrufung der Räteregierung in München im Frühjahre 1919 hatte zur Folge, daß auf
einzelnen Hauptstrecken durch Streiks der Bahnverkehr vollständig eingestellt wurde. Zur Über—
windung dieser Schwierigkeiten standen 10 Kraftwagen bereit, um die Milch bei den Molkereien
und Sammelstellen abzuholen; doch konnte im letzten Moment infolge der Wiederaufnahme
des Verkehrs die Abfahrt der Kraftwagen unterbleiben. Die Lieferanten, welche täglich bei
Aufgabe der Milch die Fracht bei den Stationen bezahlen mußten, haben dies schon immer als
Belästigung empfunden. Um diesem Übelstand abzuhelfen, wurde auf Antrag bei fast allen
Stationen die Fracht gestundet. Es erfolgt die Abrechnung nun monatlich.
Zu den Hauptschwierigkeiten gehörte im Betriebsjahre 1919 die Beschaffung der zum
Transport der Milch erforderlichen Kannen. Die ungünstigen Verkehrsverhältnisse brachten es
mit sich, daß teilweise einzelnen Lieferanten 5—4 Garnituren Kannen zur Verfügung gestellt
werden mußten. Die Anschaffungskosten der Milchtransportkannen stiegen ins Ungemessene,
so daß ganz gewaltige Summen aufgewendet werden mußten. Außerdem nutzte sich das Ersatz⸗
kannenmaterial rasch ab, weshalb ständig 2 Flaschner, 2 Büttner und 1 Schlosser in der eigenen
Werkstätte der Milchzentrale beschäftigt werden mußten, um die notwendigen Reparaturen
durchzuführen. Wenn die Steigerung der Kannenpreise im gleichen Tempo wie bisher fort—
schreitet, so wird es fast nicht mehr möglich sein, die erforderlichen Cransportkannen zu beschaffen.
Es treibt dann die Milchversorgung direkt einer Katastrophe entgegen.
Milchbehandlung. AUnguünstige Verkehrsverhältnisse und die Hereinbeförderung der
Milch aus sehr entfernt gelegenen Gegenden brachten es mit sich, daß die Milch bei wärmerer
Witterung in einem Zustande hier eintraf, der die Abgabe ohne vorherige Behandlung unmöglich
machte. Es mußte aus diesem Grunde ein erheblicher Teil der Milch vor der Ausgabe neu—
tralisiert, gereinigt, erhitzt und tief gekühlt werden. Die hier bestehenden Einrichtungen erlaubten
es, an die Bevölkerung nur Milch in gutem und brauchbarem Zustande abzugeben. Eine Milch—
zentralisierung, wie sie in Nürnberg durchgeführt ist, erfüllt nur dann den vollen Zweck, wenn
für die Behandlung der gesamten Milch die erforderlichen Einrichtungen vorhanden sind; dies
lehrten die Erfahrungen der vergangenen Jahre und auch die Zukunft wird dies noch in er—
höhtem Maße bestätigen. Der Milchhändler, der die Milch früher an der Bahnrampe in Emp—
fang nehmen und an die Verbraucher in rohem Zustande abgeben mußte, wäre unter den heutigen
Verhältnissen nicht mehr in der Lage, ohne Benützung der hier bestehenden Einrichtungen seinen
Beruf weiter auszuüben.
Kleinkindermilch. Ganz besondere Sorgfalt wurde dieser Milchart gewidmet. Durch
die Zentralisierung des gesamten Milcheingangs ist es möglich, für die allerkleinsten Kinder,
das sind die im 1.-2. Lebensjahr, aus der gesamten Milchmenge die allerbeste Milch heraus⸗
zusuchen. Zunächst kommt die Milch in der Nähe von Nürnberg in Betracht, die durch Fuhrwerke
zur Anlieferung kommt und daher auf kürzestem Wege hierher gelangt. Außer dieser offenen
Kleinkindermilch werden noch 2 Milcharten ausgegeben und zwar Vorzugsmilch und Kurmilch.
Milchkleinhandel. Vor der Zentralisierung wurde die Milch von rund 1600 Händlern
und selbstmarktenden Bauern größtenteils auf der Straße vermarktet. Am 20. November 1019
wurde durch Fragebogen eine genaue statistische Unterlage über den gegenwärtigen Stand der
Ladengeschäfte und Straßenhändler geschaffen. Es bestanden damals: 2603 Ladenmilchgeschäfte
mit 278 Berkaufsläden und 300 Straßenhändler. Von diesen 278 Verkaufsläden führen 168