Soziale Fürsorge
Aus dem Fonds von 1l0o 0oo M, den die städtischen Kollegien im Jahre 1918 für Lehr—
meister, die sich durch besonders gute Ausbildung von Lehrlingen Ver—
dienste erworben haben, bewilligten, konnten mehrmals Prämien bis zu 500 M gegeben werden.
Aus dem jährlichen Fonds von 7500 4 wurden Zuschüsse zur Beschaffung von Arbeits⸗
kleidung, zur Lehrgeldbestreitung und laufende Unterhaltsbeiträge an bedürftige und würdige
Lehrlinge in einer Anzahl von Fällen bewilligt.
2. Schüler höherer Lehranstalten. Unterm O. November 1918 hat die
städtische Berufsberatungsstelle an die Rektorate sämtlicher hiesiger höherer Lehranstalten
eine kurze Denkschrift gerichtet, in welcher die Notwendigkeit einer Berufsberatung der
Schüler genannter Schulen begründet, Organisationsvorschläge gemacht und die Berbindung
einer besonderen Abteilung für Mittelschüler mit der städtischen Berufsberatungsstelle empfohlen
wurden. Erfreulicherweise zeigten alle 6 Rektorate ihr Einverständnis.
Am 11. März 1919 wurde in einer Aussprache mit den Rektoren der hiesigen Mittel⸗
schulen auf dem Rathause folgender Antrag angenommen: Die Stadt Nürnberg errichtet unter
gutachtlicher Beiziehung und Mitwirkung der Rektorate der hiesigen Mittelschulen bei der städti—
schen Berufsberatungsstelle für die Schüler der staatlichen Mittelschulen eine Abteilung
für Berufe, die eine besondere Schulbildung voraussetzen. Die
Abteilung verfolgt als forschende und unterrichtende Stelle den Zweck: 4) Berufsfragen aller
akademischen Berufe zu verarbeiten unter dem Gesichtspunkt, alles für die Berufswahl des
Akademikers Wissenswerte der Öffentlichkeit und jedem Einzelnen zugänglich zu machen, b) ein
Archiv über alle Fragen akademischer Berufe anzulegen, c) Veröffen tlichungen
über diese Fragen zu sammeln, d) ein Verzeichnis der Stiftungen, die Akademikern zu—
gute kommen, anzulegen und fortzuführen, e) Merkblätter über die einzelnen akademischen
Berufe (Führung bei der Berufswahl) herauszugeben und Einzelauskunft zu erteilen. Zur
Durchführung der Aufgabe wurde beschlossen: a) Die Bildung eines periodisch zusammentretenden
Fachausschusses als leitenden Organes der Abteilung, bestehend aus Rektoren der Mittelschulen
und Vertretern der verschiedenen akademischen Berufe (Cheoretikern und Praktikern), b) die
Gewinnung von Bertrauensmännern aller akademis chen Berufe in hiesiger Stadt, welche
die Leitung der Berufsberatungsstelle über alles für die Berufsberatung ihres Fach es Wissens—
werte unterrichtet halten und auch in einzelnen Fällen Ratsuchende zur unmittelbaren persön—
lichen Beratung bei sich empfangen. Die neue Zweigstelle trat am 20. Juni 1919 in Wirksamkeit.
Die Erfahrungen in der kurzen Zeit ihres Bestehens sind schon ein sprechender Beweis für die
Existenzberechtigung, ja für die Notwendig ke it der neugeschaffenen Beratungsstelle.
Was nun die praktische Arbeit im einzelnen anbelangt, so kann man sagen, daß im großen
ganzen drei Kategorien von Fragestellern in Betracht kommen, welche die
Unterstützung der Berufsberatungsstelle suchten. Einmal solche, die überhaupt noch nicht irgend—
einen Beruf ins Auge gefaßt haben, sondern zunächst nur eine al lgemeine Auskunft,
einen Überblick über die verschiedenen Berufsmöglichkeiten, gewinnen wollen. Diese er ste
Art von Fragestellern kann wohl als Beweis dafür dienen, wie verhältnismäßig spät erst manche
Eltern an die wichtige Frage herantreten: „Mas kann und was soll einmal mein Junge
werden?“ Die zweite Gruppe von Ratheischenden bilden solche, die bereits für einen oder
mehrere — allerdings miteinander irgendwie ver wandte — Berufe halb und halb ent—
schlossen waren, und die nur wissen wollten, welchen Bildungsgang sie noch weiterhin durchzu—
machen hätten, welche Aussichten und welche Betätigungsmöglichkeiten ihr Beruf biete. Die
dritte Gruppe macht die Wahl der künftigen Lebensarbeit lediglich abhängig von der Beant⸗
wortung der Frage: „Wie werde ich recht bald selbständig? Wie verdiene ich möglichst bald mög⸗
lichst viel?“ Die meisten der Fragesteller wählten einen kLombinierten Beruf, d. h.
einen solchen, bei dem sie nach vollendetem Studium mehrere Betätigungsmöglichkeiten haben.