Wohlfahrtspflege
Das Bestreben der Kriegsbeschädigten, mit Hilfe der Kapitalabfindung Anwesen
zu erwerben, ist nach wie vor sehr rege, namentlich wurde durch das Grunderwerbssteuer⸗
gesetz vom 12. September 1919, 821, wonach Kriegsbeschädigten im Falle der Kapitalabfindung
der Staatsstempel erlassen wird, der Ankauf von städtischen Anwesen angeregt. Bei der länd—
lichen Ansiedlung mußte die Erfahrung gemacht werden, daß ein großer Teil der angesiedelten
Kriegsbeschädigten sich die bedeutende Steigerung des Grundstückwertes zunutze machte und die
erworbenen Anwesen mit beträchtlichem Gewinn wieder veräußerte. Da die Durchführung
des Kapitalabfindungsverfahrens durchschnittlich einige Monate in Anspruch nimmt, wurde
in vielen Fällen von der Kriegsbeschädigtenfürsorge ein Darlehen in der Form eines Zwis ch e n⸗
kredites in Höhe der Kapitalabfindung bis zur Durchführung des Verfahrens gewährt.
An der Bergebung der Anwesen im Siedlungswerk Nürnberg nahm die Kriegs—
beschädigtenfürsorge lebhaften Anteil.
Die Eigenart und Verschiedenheit der Kriegsverletzungen bringt es mit sich, daß mancher
Kriegsbeschädigte nicht mehr in abhängiger Stellung tätig sein kann; auch durch die schlechte
Lage des Arbeitsmarktes hat sich im vergangenen Jahre der Drang zur Selbständigmachung
durch Erwerb eines kleinen Geschäftes ganz bedeutend erhöht. Um Mißerfolge möglichst aus—
zuschalten, erfolgt die Gründung von solchen Existenzen nur nach vorausgegangener eingehender
Beratung und Prüfung.
Die Hausrathilfe hat im letzten Jahre einen sehr erheblichen Umfang ange—
nommen. Um den Kriegsbeschädigten von den Abzahlungsgeschäften fernzuhalten, hat die
Kriegsbeschädigtenfürsorge mit der Möbelstelle des städtischen Wohlfahrtsamtes Abmachungen
getroffen, wonach den Leuten Möbel gegen angemessene Teilzahlungen unter Bürgschafts-
leistung der Kriegsbeschädigtenfürsorge geliefert werden. Bürgschaft wird nur für den Not—
bedarf übernommen; bei höher gehenden Wünschen müssen die Gesuchsteller den den Notbedarf
übersteigenden Betrag als Anzahlung leisten, da, um allen Wünschen entsprechen zu können,
im Einzelfalle ein bestimmter Betrag nicht überschritten werden kann.
Die Anträge auf Gewährung von Darlehen und Bürgschaften zu den verschiedensten
Zwecken nehmen ständig zu. Darlehen wurden gewährt als Betriebskapital bei Selbständig-
machung, zur Anschaffung von Werkzeugen, Maschinen und sonstigen Geschäftseinrichtungen,
zur Tilgung von vordringlichen Schulden, zum Ankauf von Kleinvieh u. dgl. Um den Be—
schädigten in besonders günstigen Fällen den Einkauf von Möbeln im freien Handel gegen bar
zu ermöglichen, werden ebenfalls Darlehen gegen mäßige Rückzahlungen gewährt. Bei Be—
trägen bis zu 1000 M sind die Darlehen zinsfrei. Im allgemeinen wurden bei Darlehens⸗
gewährungen in bezug auf Rückzahlung keine ungünstigen Erfahrungen gemacht. Eine Bei—
hilfe zur Übersiedlung nach auswärts wird nur dann gewährt, wenn die Erhebungen ergeben
haben, daß der Beschädigte an dem neugewählten Aufenthaltsort eine gesicherte Existenz findet.
Selbstverständlich wird die Wahl des billigsten Weges für den Versand des Umzugsgutes zur
Pflicht gemacht.
Erwerbslosenfürsorge. In enger Angliederung an die Kriegsbeschädigtenfürsorge
wurde eine Abteilung der Erwerbslosenfürsorge nur für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene
eingerichtet, um den Zusammenhang mit der Fürsorge zu wahren. Diese Einrichtung hat sich
durchaus bewährt.
Berufsberatung. Durch die durch das Kriegsende bedingte Zusammenlegung und Auf—
hebung der Lazarette und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehende Entlassung aller
derjenigen, deren Heilbehandlung abgeschlossen war, wurde die Berufsberatung im Berichtszeit-
raum weit stärker in Anspruch genommen als im Vorjahr. Am Prinzip der Beratungen, an der
organisatorischen Einteilung, hat man wegen Zweckmäßigkeit und guter Erfahrung festgehalten.
Aus den Beratungen kristallisierte sich die Spezialberufsberatung, besonders für schwerwiegende